BGH, Urteil vom 13.12.2005, Az.: KZR 12/04
Zur Sachwalterhaftung bei vorvertraglicher Wirtschaftlichkeitsprognose
Leitsatz
Der BGH hatte über die Klage einer Franchisenehmerin zu entscheiden, die Schadensersatzansprüche gegen ein Unternehmen geltend macht, das nicht selbst Franchisegeberin ist. Die Franchisenehmerin (=Klägerin) schloss im September 1996 mit der in den USA ansässigen P. Inc. (=Franchisegeberin) einen Franchisevertrag über ein "P."-Restaurant in Deutschland ab. Dem Vertragsschluss waren Verhandlungen der Klägerin mit der Beklagten vorausgegangen, die das "P."-Geschäft für die Fran- chisegeberin in Deutschland koordiniert und eigene "P."-Restaurants betreibt. Die Klägerin macht geltend, die von der Beklagten vorgelegten und erstellten Wirtschaftlichkeitsberechnung, durch deren Vorlage sie zum Abschluss des Franchisevertrages veranlasst worden sei, seien fehlerhaft; sie basiere auf unrichtigen und unvollständigen Daten und gelange zu unrealistischen Umsatz- und Gewinnprognosen. Anfang Dezember 1996 eröffnete die Klägerin das Restaurant. Die erwirtschafteten Umsätze blieben hinter ihren Erwartungen zurück. Im Laufe des Jahres 2000 stellte sie den Betrieb ein.
Zum Sachverhalt
Mit der Klage verlangte die Klägerin von der Beklagten Ersatz der für die Gaststätte gezahlten Miete in Höhe von 261.508,14 €, der Franchise- und Werbekosten von insgesamt 136.799,07 € und der für den Umbau und das Inventar der Gaststätte aufgewendeten Kosten in Höhe von 597.304,42 €.
In den ersten beiden Instanzen hatten die Gerichte gegen die Franchisenehmerin entschieden. Der Kartellsenat des BGH hob das Berufungsurteil des OLG Düsseldorf auf
Im Umfang der Aufhebung wurde die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision und der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung
In den Urteilsgründen heißt es auszugsweise:
Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, zwischen den Parteien sei kein selbständiger Auskunfts- oder Beratungsvertrag zustande gekommen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der stillschweigende Abschluss eines Auskunftsvertrages zwischen Geber und Empfänger der Auskunft und damit eine vertragliche Haftung des Auskunftgebers für die Richtigkeit seiner Auskunft zwar dann anzunehmen sein, wenn diese für den Empfänger erkennbar von erheblicher Bedeutung ist und er sie zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse machen will; dies gilt insbesondere in Fällen, in denen der Auskunftgeber für die Erteilung der Auskunft besonders sachkundig ist oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgt (BGH, Urt. v. 17.9.1985 - VI ZR 73/84, NJW 1986, 180 unter II 1; Urt. v. 19.3.1992 - III ZR 170/90, WM 1992, 1246 unter 1, jeweils m. w. Nachw.). Aus dieser Rechtsprechung ist jedoch - entgegen der Auffassung der Revision - nicht zu entnehmen, dass für das Zu-standekommen eines Auskunftsvertrages ohne Rücksicht auf die Besonderheiten der jeweiligen Fallgestaltung stets allein schon die Sachkunde des Auskunftgebers und die Bedeutung der Auskunft für den Empfänger ausreichen. Diese Umstände stellen vielmehr, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, lediglich Indizien dar, die, wenn auch mit erheblichem Gewicht, in die Würdigung der gesamten Gegebenheiten des konkreten Falles einzubeziehen sind. Für den stillschweigenden Abschluss eines Auskunftsvertrages ist, wie das Berufungsgericht weiter zutreffend ausgeführt hat, entscheidend darauf abzustellen, ob die Gesamtumstände unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung und des Verkehrsbedürfnisses den Rückschluss zulassen, dass beide Teile nach dem objektiven Inhalt ihrer Erklärungen die Auskunft zum Gegenstand vertraglicher Rechte und Pflichten gemacht haben (BGH, Urt. v. 17.9.1985 aaO). So hat der Bundesgerichtshof bei der rechtlichen Beurteilung von Fallgestaltungen, in denen der konkludente Abschluss eines Auskunftsvertrages angenommen oder in Erwägung gezogen wurde, außer der Sachkunde des Auskunftgebers und der Bedeutung seiner Auskunft für den Empfänger jeweils auch weitere Umstände mitberücksichtigt, die für einen Verpflichtungswillen des Auskunftgebers sprechen können, wie z.B. dessen eigenes wirtschaftliches Interesse an dem Geschäftsabschluss, ein persönliches Engagement in der Form von Zusicherungen nach Art einer Garantieübernahme, das Versprechen eigener Nachprüfung der Angaben des Geschäftspartners des Auskunftempfängers, die Hinzuziehung des Auskunftgebers zu Vertragsverhandlungen auf Verlangen des Auskunftempfängers, die Einbeziehung in solche Verhandlungen als unab-hängige neutrale Person oder eine bereits anderweitig bestehende Vertragsbe-ziehung zwischen Auskunftgeber und Auskunftempfänger (vgl. BGH, Urt. v. 17.9.1985 aaO. m. Nachw.).
Derartige Umstände hat das Berufungsgericht im vorliegenden Fall nicht festzustellen vermocht. Es hat im Gegenteil eine Reihe hier gegebener Umstände angeführt und in seine Gesamtwürdigung einbezogen, denen es ohne Rechtsfehler entnommen hat, dass die Beklagte - auch aus der Sicht der Klägerin - bei der Erstellung der Wirtschaftlichkeitsberechnung nicht den Willen hatte, eine vertragliche Haftung für die Richtigkeit der gestellten Prognose oder der ihr zugrunde gelegten Daten zu übernehmen. Soweit die Revision diese Würdigung angreift, setzt sie in revisionsrechtlich unzulässiger Weise ihre eigene abweichende Wertung der festgestellten Umstände an die Stelle der tatrichterlichen Beurteilung durch das Berufungsgericht.
2. Soweit das Berufungsgericht auch eine Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen Verhandlungsverschuldens verneint hat, sind seine Ausführungen dagegen nicht frei von Rechtsfehlern.
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Verhandlungsgehilfe einer Vertragspartei wegen der Verletzung vorvertraglicher Pflichten ausnahmsweise dann selbst haftet, wenn er ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Zustandekommen des Vertrages hat und gleichsam in eigener Sache tätig wird (st.Rspr., z.B. BGH, Urt. v. 3.4.1990 - XI ZR 206/88, WM 1990, 966 unter III 2 a m. w. Nachw.) oder wenn er bei den Vertragsverhandlungen für seine Person besonderes Vertrauen in Anspruch nimmt, indem er eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Geschäfts bietet (st. Rspr., z.B. BGH, Urt. v. 7.11.1994 - II ZR 138/92, WM 1995, 108 unter II 2 a).
b) Ersteres hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint. Der Umstand, dass die Beklagte in den Konzern der US-amerikanischen Franchisegeberin eingebunden ist und durch ihre Vertragsverhandlungen mit der Klägerin den Konzerninteressen nutzte, begründet kein Eigeninteresse der Beklagten am Zustandekommen des Vertrages. Liefervergünstigungen, die der Beklagten aufgrund von Rahmenverträgen mit Lieferanten der Franchisenehmer zugeflossen sein sollen, hat das Berufungsgericht zu Recht wie Provisionszahlungen behandelt, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Annahme eines die Haftung des Vermittlers begründenden wirtschaftlichen Eigeninteresses nicht ausreichen (BGH, Urt. v. 23.10.1985 - VIII ZR 210/84, NJW 1986, 586 unter II 1 c; Urt. v. 17.10.1989 - XI ZR 173/88, WM 1989, 1923 unter I 2 a). …
c) Soweit das Berufungsgericht eine Eigenhaftung der Beklagten auch unter dem Gesichtspunkt der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens verneint hat, beruht das Urteil dagegen auf einem von der Revision mit Recht gerügten Verfahrensfehler. Die Klägerin sieht eine zusätzliche, von der Beklagten selbst übernommene Gewähr für die Richtigkeit der ihr übergebenen Wirtschaftlichkeitsberech-nung darin, dass der damalige Franchise-Direktor Dr. B. der Beklagten ihr, wie sie unter Beweisantritt vorgetragen hat, zu Beginn der Vertragsverhandlungen in einem persönlichen Gespräch zugesichert habe, im Falle eines Scheiterns des Projekts werde die Beklagte das Restaurant übernehmen und weiterführen, "wie sich das für eine große Franchisefamilie gehöre". Über diesen Beweisantritt durfte sich das Berufungsgericht nicht mit der Begründung hinwegsetzen, das Vorbringen lasse mangels näherer Darlegung der Umstände, unter denen die Zusage erteilt worden sein soll, eine rechtliche Verbindlichkeit nicht plausibel erscheinen und sei aus diesem Grunde prozessual unbeachtlich und einer Beweisaufnahme nicht zugänglich.
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