BGH, Urteil vom 27.01.2000, Az.: III ZB 67/99
Zum Rechtsweg der ordentlichen Gerichte/Franchisenehmer kein Arbeitnehmer
Leitsatz
Amtlicher Leitsatz:
Zum Rechtsweg für einen Rechtsstreit zwischen einem Franchisegeber und einer auf Provisionsbasis als Franchisenehmerin tätigen "Marktleiterin"
Zum Sachverhalt
Die Klägerin betreibt unter dem Namen "T." eine Kette von Sonderposteneinzelhandelsmärkten. Für einen neuen Markt in B suchte sie eine "Marktleiterin", die "selbständig als Franchisenehmer" tätig werden sollte. Die Beklagte meldete sich und schloß mit der Klägerin am 14.10.1996 eine schriftliche Vereinbarung. In dieser Vereinbarung heißt es auszugsweise:
"§ 1 Vertragsgegenstand
1. P. (= Klägerin) gewährt dem Unternehmer (= Beklagte) das Recht, einen T.- Markt in B. zu betreiben ... Der Unternehmer führt den Betrieb auf eigene Rechnung und Gefahr als selbständiger Kaufmann ... P. wird dem Unternehmer gestatten, einzelne Rechte und Pflichten aus diesem Vertragdurch geeignete Dritte auszuüben, ohne daß der Unternehmer dadurch aus seiner Verantwortung entlassen würde, sofern dem sachliche Gründe nicht entgegenstehen ...
§ 4 Betrieb des T.- Marktes - Pflichten von P.
1. Vertragliche Hauptpflicht von P. ist die Einräumung der in der Präambel genannten Rechte für den Betrieb des Unternehmers. Insbesondere ist P. verpflichtet, dem Unternehmer die in dem Markt zum Verkauf gelangenden Waren zu liefern ...
§ 5 Betrieb des Marktes - Pflichten des Unternehmers
1. Der Unternehmer wird den Sonderpostenmarkt sowohl innen, wie auch außen entsprechend dem einheitlichen Erscheinungsbild der T.- Märkte auf seine Kosten unterhalten, um den Betrieb jederzeit in gutem, dem Qualitätsimage des T.- Systems entsprechenden Zustand zu erhalten ...
4. Während der Laufzeit des Vertrages ist es dem Unternehmer nicht gestattet, selbst oder durch Dritte ohne ausdrückliche vorherige Zustimmung von P. ein anderes Unternehmen zu oder sich daran direkt oder indirekt zu beteiligen. Ihm ist weiter keine unselbständige oder selbständige Tätigkeit für einen Dritten gestattet.
5. Damit die Einheitlichkeit der Geschäftsbetriebe im gesamten Bundesgebiet gewährleistet ist, legen die Vertragsparteien fest, dass ein von P. zu bestimmendes Grundsortiment von Waren geführt wird. Der Unternehmer verpflichtet sich, seine Produkte ausschließlich bei P. zu beziehen. Bei vorheriger schriftlicher Einwilligung darf der Unternehmer Artikel anderer Firmen in seinem Betrieb verkaufen, insbesondere wenn sie nicht in dem Programmspektrum von P. enthalten sind. Für diesen Fall ist der Unternehmer verpflichtet, alle von ihm in den Verkehr gebrachten Waren mit der Bezeichnung "T." zu versehen, um das einheitliche Erscheinungsbild der T.- Märkte, das wesentliche Vertragsgrundlage ist, nicht zu gefährden.
6. Der Unternehmer leitet seinen Markt in eigener Verantwortung. Beachtung des Grundsatzes der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes ist er in der Gestaltung seiner Tätigkeit und seiner Arbeitszeit für seinen Betrieb im wesentlichen frei. P. und der Unternehmer sind sich dabei darüber einig, daß der Grundsatz der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes bei der Führung eines T.-Marktes nur dann gewahrt ist, wenn die Führung des Betriebes stets, insbesondere während der geschäftsüblichen Öffnungszeiten, durch den Unternehmer oder - bei dessen Abwesenheit -durch eine von diesem zu bestimmende Person sichergestellt ist,bei der die Anforderungen an Sachkunde und persönlichem Geschick, die die Partner für die Erfüllung dieses Vertrages in der Person des Unternehmers voraussetzen, ebenfalls uneingeschränkt vorliegen. Aus dieser Verantwortung heraus trägt ausschließlich der Unternehmer dafür Sorge, daß stets ausreichendes und gut ausgebildetes Personal vorhanden ist, das vom Aussehen, Auftreten, Kleidung und Sachkunde her in der Lage ist, die Kunden entsprechend dem Qualitätsimage des T.-Systems zu bedienen. Anstellungsvereinbarungen mit dem Personal schließt der Unternehmer ausschließlich in eigenem Namen. Er hat sicherzustellen, daß das Personal nicht in einem Anstellungsverhältnis zu P. steht und dies bei der Anstellung gegenüber befugten Dritten in sicherer Weise deutlich zu machen.
7. Zwischen dem Unternehmer und P. besteht Einigkeit darüber, daß die dem Qualitätsimage von P. entsprechende Führung des Betriebes des Unternehmers auch bei dessen etwaiger urlaubs-und/oder krankheitsbedingter Abwesenheit sichergestellt sein muß. Der Unternehmer sorgt deswegen in eigener Verantwortung in derartigen Fällen für eine qualifizierte Vertretung. Dies gilt auch für den Fall urlaubsbedingter und/oder krankheitsbedingter Abwesenheit des Personals des Unternehmers ...
§ 6 Allgemeine Verkaufsbedingungen und Provision
1. Preise
Da es zu dem Wesenskern eines T.- Marktes gehört, daß diese Märkte auch hinsichtlich der Preisgestaltung einheitlich gegenüber der Öffentlichkeit auftreten, erteilt P. für die Verkaufspreise des Unternehmers - soweit es sich um Waren handelt, die von P. geliefert werden - verbindliche Preisempfehlungen, von denen nur abgewichen werden kann, wenn dafür ein sachlicher Grund besteht. Will der Unternehmer davon abweichen, hat er dies P. unter Angabe der nach seiner Auffassung in Betracht kommenden sachlichen Gründe mindestens 14 Tage vor dem Verkaufszeitpunkt schriftlich mitzuteilen. P. wird dem Verlangen des Unternehmers folgen, sofern die Preisgestaltung auch von den übrigen Betreibern der T.-Märkte schriftlich gewünscht und das einheitliche Erscheinungsbild des T.-Systems am Markt dadurch nicht beeinträchtigt wird.
2. Provision
Der Unternehmer erhält von P. eine Verkaufsprovision von 9 % vom Netto-Umsatz. Zusätzlich können bei außergewöhnlich guter Führung des Marktes Prämien von 0 - 2 % vom Nettoumsatz gewährt werden ..."
In Vollzug der Vereinbarung vom 14.10.1996 war die Beklagte bis zum 24.11.1997 als Marktleiterin tätig. Am 24.11.1997 kündigte die Klägerin das Vertragsverhältnis mit sofortiger Wirkung. Sie verlangt von der Beklagten mit der beim Landgericht erhobenen Klage Erstattung angeblich veruntreuter Tageseinnahmen sowie Ausgleich für Inventurfehlbeträge, Mietneben- und Telekommunikationskosten. Auf Rüge der Beklagten hat das Landgericht gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das zuständige Arbeitsgericht verwiesen. Im Beschwerdeverfahren hat das Oberlandesgericht den landgerichtlichen Beschluß abgeändert und den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt. Hiergegen richtete sich die zugelassene weitere sofortige Beschwerde der Beklagten.
Die Entscheidung
In den Entscheidungsgründen führte der 3. Zivilsenat des BGH aus:
Das Rechtsmittel ist unbegründet. Das Oberlandesgericht hat zu Recht
den ordentlichen Rechtsweg für eröffnet erachtet. Die vorliegende bürgerliche Rechtsstreitigkeit ist nicht gemäß § 13 2. Halbs. GVG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG den Gerichten für Arbeitssachen zugewiesen.
Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen
ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis. Für deren Vorliegen kommt es darauf an, ob nach den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalls der Verpflichtete die Dienste in der Stellung eines selbständigen Unternehmers leistet oder ob er diese als Arbeitnehmer (§ 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) oder als arbeitnehmerähnliche Person (§ 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG) erbringt (vgl. BGHZ 68, 127, 129 und BGH, Beschluß vom 21. Oktober 1998 - VIII ZB 54/97 = ZIP 1998, 2176, 2178).
Die Beklagte war nicht Arbeitnehmerin im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG. Das Arbeitsverhältnis unterscheidet sich vom Rechtsverhältnis einesfreien "Dienstnehmers" oder Werkunternehmers durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit bei der Erbringung der Werk- oder Dienstleistung. Arbeitnehmer ist danach, wer weisungsgebunden die vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen einer von seinem Vertragspartner bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Insoweit enthält § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ein typisches Abgrenzungsmerkmal, das über den unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus eine allgemeine gesetzgeberische Wertung erkennen läßt. Danach ist derjenige selbständig, der im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbständig und deshalb persönlich abhängig ist derjenige Mitarbeiter, dem dies nicht möglich ist, weil er hinsichtlich Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der versprochenen Dienste einem umfassenden Weisungsrecht unterliegt oder weil der Freiraum für dieErbringung der geschuldeten Leistung durch die rechtliche Vertragsgestaltung oder die tatsächliche Vertragsdurchführung stark eingeschränkt ist (BGH, Beschluß vom 21. Oktober 1998 aaO; BAG ZIP 1999, 544, 548 f, jeweils m.w.N.). Unter Zugrundelegung dieser Abgrenzungsmerkmale war die Beklagte keine Arbeitnehmerin.
Die Beklagte ist auch nicht als arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG anzusehen. Arbeitnehmerähnliche Personen sind wegen ihrer fehlenden Eingliederung in eine betriebliche Organisation und im wesentlichen freier Zeitbestimmung nicht in gleichem Maße persönlich abhängig wie Arbeitnehmer; an die Stelle der persönlichen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit tritt das Merkmal der wirtschaftlichen Unselbständigkeit. Zudem muß der wirtschaftlich
Abhängige seiner gesamten sozialen Stellung nach einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig sein (vgl. § 12 a Abs. 1 TVG; BGHZ 140, 11, 20 und BGH, Beschluß vom 21. Oktober 1998 aaO S. 2179; BAG NJW 1997, 2973, 2974). Der Beurteilung als arbeitnehmerähnliche Person steht nicht entgegen, daß - wie beim Kommissionsgeschäft (§ 383 HGB) - eine Verkaufstätigkeit im eigenen Namen vereinbart ist (BAG NJW 1998, 701).
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