Kammergericht Berlin, Urteil vom 10.07.1973, Az.: 17/4 U 1111/73
Zur Nichtigkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots in einem Franchisevertrag
Leitsatz
Leitsatz der Redaktion:
Die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ohne Karenzentschädigung für den Fall der Beendigung eines Franchisevertrages ist sittenwidrig.
Die Entscheidung
Vereinbarte Wettbewerbsverbote sind nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung zwar nicht schlechthin unstatthaft, denn das Prinzip der Vertragsfreiheit im Wirtschaftsleben läßt grundsätzlich jede Regelung zu, die nicht gegen gesetzliche Bestimmungen oder gegen die guten Sitten verstößt. Ein solcher Verstoß liegt jedoch vor, wen die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Verpflichteten ohne Gegenleistung des Begünstigten unangemessen eingeschränkt wird (BGH in BB 1957, 202; NJW 1964, 2203; BB 1972, 772). Das ist hier der Fall. Der Wettbewerbsklausel stehen allgemeine Rechtsgrundsätze entgegen, die, da der Franchisevertrag in seiner Gesamtheit gesetzlich nicht geregelt ist, zur Auslegung heranzuziehen sind. Der Franchisevertrag zählt zu den sog. verkehrstypischen Verträgen, die sich nach den Bedürfnissen des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs herausgebildet haben und unter Heranziehung ähnlicher gesetzlich geregelter Vertragstypen zu beurteilen sind. Nach Skaupy (BB 1969, 113 ff.) handelt es sich bei dem Franchisesystem um ein dem amerikanischen Wirtschaftsleben entstammendes besonderes System für den Vertrieb von Waren und Dienstleistungen; rechtlich gesehen ist es ein Dauerschuldverhältnis, durch das der Franchisegeber dem Franchisenehmer, einem selbständigen Händler oder Unternehmer, gegen Entgelt das Recht gewährt, bestimmte Waren und/oder Dienstleistungen unter Verwendung von Namen, Warenzeichen, Ausstattung oder sonstigen Schutzrechten sowie der technischen und gewerblichen Erfahrungen des Franchisegebers und unter Beachtung des von diesem entwickelten Organisations- und Werbungssytems zu vertreiben, wobei der Franchisegeber dem Franchisenehmer Beistand, Rat und Schulung gewährt und eine Kontrolle über die Geschäftstätigkeit des Franchisenehmers ausübt; Voraussetzung ist es, daß der Franchisenehmer sein Geschäft völlig selbständig und für eigene Rechnung betreibt; die ihm erteilte Franchise ist persönlicher Natur und kann nicht ohne Einwilligung des Franchisegebers auf einen anderen übertragen werden. Dementsprechend war nach Ziffer 3b des zwischen den Parteien geschlossenen Franchisevertrages der Antragsgegner zu 1) zur Verschwiegenheit hinsichtlich der ihm mitgeteilten Informationen und der während des Vertragsverhältnisses erworbenen Arbeitsverfahren verpflichtet worden; nach Ziffer 3q war es ihm untersagt, Aufträge an Subunternehmen zu vergeben.
Aus dieser Konstruktion des Franchisevertrages folgt, daß der Franchisenehmer bei Beendigung der vertraglichen Beziehungen zwischen ihm und dem Franchisegeber den von ihm aufgebauten Betrieb aufgeben muß und ihm damit seine bisherige wirtschaftliche Existenz genommen wird. Zwar kann der Franchisegeber, der die Möglichkeit hat, die freigewordene Franchise sofort neu zu erteilen, ein schutzwürdiges Interesse daran haben, daß der bisherige Franchisenehmer einige Jahre lang nicht in seinem bisherigen Vertragsgebiet in demselben Gewerbe oder derselben Branche tätig wird und ihm durch seine Konkurrenz wirtschaftliche Nachteile zufügt (vgl. BGH MDR 1964, 914; OLG Hamm, BB 1971, 1077). Es stellt aber eine nach § 138 Abs. 1 BGB unangemessene Einschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Franchisenehmers dar, wenn er nicht zum Ausgleich für das im Interesse des Franchisegebers liegende zeitlich und örtlich begrenzte Wettbewerbsverbot und die Aufgabe seine Betriebes eine Entschädigung erhält, die dazu beiträgt, ihm den Aufbau einer neuen Existenz in einem anderen Gebiet oder in einer anderen Branche zu ermöglichen. Da er seinen Betrieb nicht verkaufen kann, jedenfalls nicht mit der Franchise, können seine Interessen auch nicht, wie sonst die des Veräußerers eines Geschäfts oder des ausscheidenden Gesellschafters einer Handelsgesellschaft, der sich einem Wettbewerbsverbot unterwirft, in der Bewertung des Kaufpreises oder des Abfindungsguthabens berücksichtigt werden. Wie in vergleichbaren Fällen des Wirtschaftslebens, in denen der Unternehmer oder Betriebsinhaber ein schutzwürdiges Interesse daran haben kann, daß der ausscheidende Mitarbeiter gehindert wird, seine im Betrieb erworbenen Kenntnisse zum Nachteil seines bisherigen Dienstherrn zu verwerten – für den Handlungsgehilfen in §§ 74 ff. HGB, für den Handelsvertreter in § 90 a HGB gesetzlich geregelt und beispielsweise für technische Angestellte in der Rechtsprechung anerkannt (BAG, BB 1972, 714) – kann auch einem Franchisenehmer die zeitweise Aufgabe seiner bisherigen Tätigkeit im früheren Vertragsgebiet nur zugemutet werden, wenn er dafür vom Franchisegeber entschädigt wird. Ohne die Aussicht auf eine angemessene Entschädigung könnte er sich unter Umständen gezwungen sehen, das Vertragsverhältnis nur deshalb aufrecht zu erhalten, weil die Auflösung seine wirtschaftliche Vernichtung bedeuten würde.
Eine nach diesen Grundsätzen unangemessene Einschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit der Antragsgegner liegt hier vor, denn die Einhaltung des auf drei Jahre vereinbarten Wettbewerbsverbots würde ihre seit Abschluß des Franchisevertrages aufgebaute wirtschaftliche Existenz vernichtet, ohne daß ihnen ein Ausgleich zustände. Sie hätten nur die Wahl, sich entweder im bisherigen Vertragsgebiet in anderer Weise als im Rohrreinigungsgewerbe zu betätigen oder anderswo einen neuen Rohrreinigungsdienst aufzubauen.
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