Die Klage ist zum Teil begründet. Der Klägerin steht zunächst ein Ausgleichsanspruch in analoger Anwendung des § 89 b HGB in der geltend gemachten Höhe zu. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift sind im vorliegenden Fall eines Franchisevertrages gegeben und zwar aus den gleichen Gründen wie bei den Verhältnissen der Kfz Eigenhändler. Dort ist Voraussetzung für die analoge Anwendung des § 89 b HGB, dass der Eigenhändler in die Absatzorganisation des Lieferanten eingegliedert ist und bei Vertragsende seinen Kundenstamm übergeben muss (vgl. BGH ZIP 87, 1383, 1385). Im vorliegenden Fall besteht eine ungewöhnlich starke Einbindung des Franchisenehmers. Sie beginnt bei einer Alleinbezugsverpflichtung des Franchisenehmers, setzt sich fort in der vorgegebenen "corporate identity", den gemäß § 4 des Franchisevertrages bis ins einzelne gehenden Vorgaben über die Betriebsführung und endet schließlich in der Verpflichtung des Franchisenehmers, täglich seine Kasseneinnahmen bei dem Franchisegeber abzuliefern, um im Rahmen der monatlichen Abrechnung seine Provision ausgezahlt zu bekommen. Allerdings enthält der Franchisevertrag keine Verpflichtung der Klägerin, bei Vertragsende ihren Kundenstamm auf die Beklagte zu übertragen. Darauf kommt es aber auch nicht an. Entscheidend ist, ob der Lieferant sich die Vorteile des Kundenstammes sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann (BGH ZIP 87, 1383, 1385) Bei dem Betrieb einer Bäckereiverkaufsstelle gibt es aufgrund der herrschenden Anonymität keine Kundenlisten, die ausgehändigt werden könnten. Die Kunden kommen, weil und solange die Verkaufsstelle geöffnet ist. Weil die von der Klägerin betriebene Verkaufsstelle nach Vertragsende sofort anderweitig besetzt wurde, konnte die Beklagte mit dem bisherigen von der Klägerin geworbenen Kundenstamm weiterhin Geschäfte machen - sei es auch nur mittelbar über einen neuen Franchisenehmer. Dies reicht für eine analoge Anwendung des § 89 b HGB bei Franchisenehmern aus (vgl. Küstner/Thume Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 3, Randnr. 1820). In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Provisionszahlung an einen Nachfolger keinen Einfluss auf den Ausgleichsanspruch des Vorgängers hat (vgl. Küstner/ v. Manteuffel, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 2, Randnr. 973).
Geworben hat die Klägerin neue Kunden schon dadurch, dass sie ihre Verkaufsstelle betrieb und offen hielt; insoweit reicht für das Zustandekommen der Geschäftsbeziehungen Mitursächlichkeit aus (BGH a.a.O.).
Nach dem letzten Vortrag der Klägerin ist davon auszugehen, dass das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien durch Kündigung der Beklagten beendet wurde. Die Klägerin hat zu den Einzelheiten der Kündigung substantiiert vorgetragen, die Beklagte hat dies mit Nichtwissen bestritten. Gemäß § 138 Abs. 4 ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen über eine eigene Handlung oder Erklärung jedoch unzulässig, so dass die von der Klägerin behauptete Kündigung als unstreitig anzusehen ist. Sollte die Beklagte eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen haben, wäre diese unwirksam, weil kein wichtiger Grund vorliegt. Jedenfalls stellt die Nichterfüllung der mit der Widerklage verfolgten Auskunftsansprüche keine derart schwerwiegende Vertragsverletzung dar, als dass deswegen ohne Abmahnung fristlos gekündigt werden könnte.
Bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs ist von der Provision des letzten Vertragsjahres aus Neukundengeschäften auszugehen, die auf das handelsvertreterübliche Maß zurückgeführt werden muss, da der (höhere) Rabatt etwa eines Eigenhändlers auch für einen Handelsvertreter atypische Risiken mitvergütet BGH NJW 98, 67 ff.).
Da die Klägerin die Verkaufsstelle erstmals eröffnet hat, ist sie für die Werbung sämtlicher Kunden mitursächlich geworden. Einen künftigen Vorteil zieht die Beklagte andererseits aber nur aus Neukunden, die Stammkunden wurden. Nachvollziehbare Angaben zum Stammkundenanteil machen die Parteien nicht Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten, die der Kammer bekannt sind, spricht jedoch alles dafür, dass der Stammkundenanteil von der Klägerin mit 30 Prozent deutlich zu niedrig gegriffen wurde, weshalb er für das Begehren der Klägerin allerdings zugrunde gelegt werden kann. Die Verkaufsstelle befindet sich in einer Fußgängerzone im Stadtteil [...] mit dichter städtischer Bebauung und zahlreichen Wohnungen und Geschäften im Umfeld. Bedenkt man, dass Produkte einer Bäckerei möglichst auf kurzen Wegen besorgt werden, dürfte ein ganz erheblicher Umsatz auf Anwohner oder Beschäftigte in der näheren Umgebung entfallen, bei denen es zu einer Fluktuation nur durch Wohnungs bzw. Arbeitsplatzwechsel kommt, in der Regel also nur selten. Das gleiche gilt für die Cafebesucher. Zu berücksichtigen ist allerdings eine Abwanderungsquote. Der Rechtsprechung geht beim Handelsvertreter von Abwanderungsquoten in Höhe von 10 % bis 25 % aus (vgl. Martinek, Handbuch des Vertriebsrechts § 11, Randnr. 18). Der BGH hat bei einem Tankstellenbetrieb einer Abwanderungsquote von 20 % gebilligt (vgl. NJW 98, 66). Die Kammer hält diesen Wert auf den vorliegenden Fall für übertragbar und geht zugunsten der Beklagten von 25 % aus. Da die Handelsspanne des Franchisenehmers auch Tätigkeiten vergütet, die für einen Handelsvertreter nicht typisch sind, der Ausgleich aber nur die werbende Tätigkeit belohnen soll, müssen aus der Handelsspanne Vergütungsanteile für verwaltende Tätigkeiten herausgerechnet werden. Da Warenpräsentation bzw. Lagerhaltung bei einem Bäckereibetrieb zur Kundengewinnung unabdingbar sind, bleibt als verwaltende Tätigkeiten lediglich das Inkasso, das die Kammer mit 10 % bewertet (so auch der BGH in dem Tankstellenfall NJW 98, 69). Einen höheren Verwaltungskostenanteil hat die insoweit darlegungs und beweispflichtige Beklagte nicht vorgetragen zur Beweislast: BGH NJW 96, 2298). Schließlich ist unter dem Aspekt der Billigkeit (§ 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB) der Umstand zu berücksichtigen, dass der Erfolg der Klägerin nicht nur auf deren Tätigkeit sondern auch auf der Verwendung der er im Rhein Main Gebiet bekannten Bezeichnung "[...]" beruht sogenannte Sogwirkung der Marke. Die Kammer hält deswegen einen pauschalen Abzug von 25 % für angemessen (vgl. dazu BGH ZIP 87, 1383, 1386).
Ein Abzug für ersparte Kosten kam dagegen nicht in Betracht. Grundsätzlich können ersparte Kosten des Handelsvertreters unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit berücksichtigt werden, allerdings nur dann, wenn sie besonders hoch sind (BGH NJW 64, 915). Dabei kommt es auf die Betrachtung des Einzelfalls unter Berücksichtigung der betroffenen Branche an (vgl. Küstner/v. Manteuffel, Handbuch des gesamten Außendienst rechts, Band 2, Rdnr. 945), wozu die Beklagte jedoch nichts vorgetragen hat. Die Nettoprovision des letzten Vertragsjahres betrug DM 245.844,60. Dieser Betrag, den die Beklagte nur unsubstantiiert bestritten hat, ist der folgenden Abrechnung zugrunde zu legen:
Provisionen des letzten Vertragsjahres DM 245.844,60
30 % Stammkundenanteil DM 73.753,80
abzüglich 25 % Abwanderung (DM 18.438,45) DM 55.315,35
abzüglich 10 % Verwaltungskostenanteil
(DM 5.531,53) DM 49.783,82
abzüglich 25 % Sogwirkung (DM 12.445,95) DM 37.337,86
Eine Abzinsung hat nicht zu erfolgen, weil die Klägerin den Ausgleich erst nach Ablauf des Prognosezeitraumes begehrt. Berücksichtigt man weiterhin, dass die Klägerin von Nettoprovisionen ausgeht, während richtigerweise Bruttoprovisionen dem Ausgleichsanspruch zugrunde zu legen sind (vgl. BGH ZIP 87, 1383, 1387), und dass die Klägerin den Prognosezeitraum mit nur einem Jahr anstelle üblicher zwei bis drei Jahre (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, § 89b, Rdnr.16) bemisst, erscheint im Wege der Schätzung der eingeklagte Betrag von DM 36.876,69 als billiger und angemessener Ausgleich. ...