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LG Hamburg, Urteil vom 07.06.2012, Az.: 315 O 77/11 „PC FEUERWEHR“

Zur Gesamtunwirksamkeit eines Franchisevertrages wegen Kartellrechtsverstoß

Zum Sachverhalt

Die Klägerin ist eine auf IT-Dienstleistungen spezialisierte Franchisegeberin. Die Beklagten waren Franchisenehmer der Klägerin. Die Klägerin verlangt von den Beklagten Zahlung aus einer Endabrechnung für Lieferungen und Leistungen (Saldo) aus dem Franchiseverhältnis... Zahlung einer Vertragsstrafe ... sowie Erstattung von Rechtsverfolgungskosten...

(...)

Die Beklagten wenden vornehmlich ein, der Franchisevertrag sei wegen Verstoßes gegen die Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung kartellrechtswidrig und nichtig. ...

§ 2 Ziffer 9 des Franchisevertrages verbiete dem Franchisenehmer, eine eigene Internet-Präsenz zu verwenden. In § 3 sei eine ausschließliche Gebietszuweisung enthalten, wonach es den Beklagten bei Androhung einer Vertragsstrafe verwehrt sei, Anfragen von Kunden, die außerhalb der ihnen zugewiesenen Gebiete ansässig seien zu bedienen. Damit sei den den Beklagten den passive Vertrieb untersagt; der Verkauf über das Internet werde als passiver Vertrieb angesehen. Der passive Verkauf an Kunden, die nicht zum Vertragsgebiet des Franchisenehmers gehören, dürfe nach Art. 4 lit. b Vertikal-GVO nicht unteragt werden. Vor dem Hintergrund der Unwirksamkeit seien die Forderungen ohnehin unbegründet.

Die Klägerin trägt vor: ... Die von den Beklagten geltend gemachten kartellrechtlichen Einwände seien schon deshalb unbeachtlich, weil der behaupteten Wettbewerbsbeschränkung die Spürbarkeit fehle und diese deshalb nicht als Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG-Vertrag zu erachten sei. Die Klägerin verweist auf die Bagatellbekanntmachung der Europäischen Kommission, dort Ziffer 7 und die dortigen Kriterien, wonach iinsbesondere wettbewerbsbeschränkende Vertriebsvereinbarungen zwischen Marktteilnehmen, deren Marktanteil auf dem relevanten Markt 10 % nicht überschritten, grundsätzlich unbeachtlich seien. An einem solchen Marktaneil der Parteien fehle es.

Die Entscheidung

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. De Klage verfiel der Abweisung, weil die zwischen den Parteien geschlossenen Franchiseverträge wegen Kartellrechtswidrigkeit nichtig waren.

Die Zahlungsforderung in Höhe von € ... ist nicht begründet. Der Forderung fehlt die Anspruchsgrundlage. Denn die Franchiseverträge vom ... enthalten mit der Zuteilung der Vertragsgebiete jeweils in § 2 und § 3 wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen im Sinnde des § 1 GWB, die nicht über die Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 der Kommisson vom 22.12.1999 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen (Gruppenfreistellungsverordnung - Vertikal - GVO) freigestellt sind.

Die Franchiseverträge vom ... enthalten mit der Zuteilung der Vertragsgebiete jeweils in ihrem § 3 wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen im Sinne des § 1 GWB. (...) Die Vertikal-GVO Nr. 2790/1999 gelangt für die kartellrechtliche Bewertung der Franchiseverträge vom .... 2006 bzw. .... 2009 zur Anwendung, auch wenn sie inzwischen durch die Veordnung der Kommission vom 20.04.2010 über die Anwendung von Artikel 101 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweisen der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarunge und abgestimmten Verhaltensweisen (Vertikal-GVO Nr. 330/2010 vom 20.04.2010) abgelöst ist, so gilt sie fort für bereits am 31.05.2010 in Kraft befindliche Vereinbarungen (Art. 9 GVO Nr. 330/2010). (...)

Vom Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen sind damit nach Art. 2 Abs. 1 Vertikal-GVO Nr. 2790/1999 grundsätzlich vertikale Vereinbarungen in Franchiseverträgen freigestellt.

Diese Freistellung gilt nach Art. 4 Buchstabe b) Vertikal-GVO Nr. 2790/1999 jedoch nicht (mit der Folge, dass das Verbot auf Franchiseverträge anwendbar is), wenn der Vertrag die Beschränkungen des Gebiets oder des Kundenkreises bezweckt, in das oder an den der Käufer Vertragswaren oder -dienstleistungen verkaufen darf.

Nach Art. 4 Buchstabe b) 1. Spiegelstrich Vertikal-GVO Nr. 2790/1999 sind aktive Verkaufsbeschränkungen unter bestimmten Voraussetzungen zulässig: Von dem Verbot ausgenommen sind Beschränkungen des aktiven Verkaufs in Gebiete oder an Gruppen von Kunden, die der Lieferant sich selbst vorbehalten oder ausschließlich einem anderen Käufer zugewiesen hat, sofern dadurch Verkäufe seitens der Kunden des Käufers nicht begrenzt werden. Die Beschränkung des aktiven Verkaufs bleibt freigestellt; insoweit bleibt es bei der Regelung des Art. 2 Vertikal-GVO Nr. 2790/1999 (Freistellung). (...)

Die Freistellung gilt nicht für den passiven Verkauf; nach dem System der Artikel 2 und 4 Buchst. b) Vertikal-GVO Nr. 2790/1999 soll der Wiederverkäufer die Freiheit haben, an Kunden, die aus eigener Initiative zu ihm kommen, verkaufen können. Hier bleibt es insoweit bei der Regelung des Art. 4 Vertikal-GVO Nr. 2790/1999, es gilt nicht die Freistellung nach Art. 2 der Vertikal-GVO 2790/1999. Es bleibt insoweit das Verbot nach § 81 EG-Vertrag/ Art. 101 AEUV resp. § 1 GWB. "Passiver" Verkauf bedeutet die Erfüllung unaufgeforderter Bestellungen individueller Kunden, d.h. das Liefern von Waren an bzw. das Erbringen von Dienstleistungen für solche Kunden. Beim passiven Verkauf tritt der Kunde mit einer Bestellung an den Wiederverkäufer heran. Das Aufsuchen der Website eines Vertriebshändlers durch einen Kunden und die Kontaktaufnahme mit diesem, die zu einem Verkauf führt, kann mithin nicht untersagt werden (vgl. Kommission, Leilinien für vertikale Beschränkungen, ABl. 2000, Nr C 291, 1 Rdnr. 51).

Wie schon ausgeführt, enthalten die Franchiseverträge vom ... mit der Zuteilung der Vertragsgebiete jeweils in § 3 wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen im Sinne des § 1 GWB.

Die wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen, soweit sie nicht den aktiven Verkauf betreffen, sind nicht vom Verbot des § 1 GWB freigestellt, § 2 Abs. 2 GWB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Buchstabe b) Vertikal-GVO 2790/1999. Die Vereinbarungen unterliegen dem Verbot, wenn die wettbewerbsbeschränkenden Regelungen sich auf den passiven Verkauf zu beziehen.

Der Verstoß gegen Art. 4 Buchstabe b) Vertikal-GVO ergibt sich aus § 2 Ziffer 9 des Franchisevertrages. Danach ist der Franchisienehmer verpflichtet, die Internetpräsenz www.xxxyyyy.de zu benutzen. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass dass es den Beklagten verboten ist, ein eigene Internet-Seite zu nutzen. Dass die Parteien unter § 2 Ziffer 9 des Franchisevertrages bei Vertragsschluss übereinstimmend ein echtes Verbot für den Franchisenehmer verstanden haben, ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass die Klägerin im vorliegenden Verfahren selber meint, Vertragsstrafen in Höhe von 250,- € wegen mehrfachen Verstoßes gegen dieses Gebot gegen die Beklagten geltend machen zu können. Die Untersagung des Betriebs einer eigenen Internet-Domain verhindert, dasss mögliche Kunden sich aus eigenen Initiative an den Franchisenehmer mit Aufträgen und Anfragen wenden zu können (Verhinderung des passiven Verkaufs). Die eigene Website ermöglicht es dem Betreiber einer anonymen Öffentliichkeit ohne Beschränkung der Gebiete und ohne Richtung auf bestimmte Gebiette sich und sein Leistungsansgebot darzustellen. Es handelt sich gerade nicht um gezielte Werbemaßnahmen, mit denen sich der Betreieber der Website um die Kunden etwa eines bestimmten Bezirks bemüht. Insoweit ist den Beklagten zuzustimmen, dass der Verkauf über das Internet grundsätzlich als passiver Verkauf anzusehen ist. Die Kommission (Leitlinien für Vertikale Beschränkungen, Abl. 2000, Nr. C 291, 1 Rdnr. 51) ist der Auffassung, dass das Aufsuchen der Website eines Vertriebshändlers durch einen Kunden und die Kontaktaufnahme mit diesem, die zu einem Verkauf führt, nicht untersagt werden darf. (...)

Der Einwand der Klägerin ist wenig behelflich. Auch wenn alle Franchisenehmer innerhalb der Internetpräsenz www.xxxyyy.de eine eigene Seite haben, um ihren Betrieb darzustellen, und wenn diese Seite von Kunden direkt angerufen werden kann, so bleibt es im Franchisevertrag bei dem vertraglichen Verbot eine eigene Internet-Seite zu nutzen. Denn diese von der Klägerin gestattete und nach ihrem Vortrag sogar geförderten Seite ist eine Subdomain. (...)

Das Aufsuchen der Website eines Vertriebshändlers durch einen Kunden und die Kontaktaufnahme mit diesem, die zu einem Verkauf führt, dar mithin nicht unterbunden werden (vgl. Kommission, Leitlinien vertikaler Beschränkungen, ABl. 2000, Nr. C 291, 1 Rdnr. 51). Damit ist unvereinbar, dass dem Kunden von seiten des Franchisegebers seine Internet-Domain als Subdomaine innerhalb des Franchisesystems vorgegeben wird. Der Franchisenehmer soll gerade frei sein, eine eigene Internet-Domain - unabhänggig vom Franchisegeber - zu betreiben, solange er über diese "passive Verkäufe" betreibt, Damit ist das Verbot des Betriebs einer eigenen Website nicht zu vereinbaren.

Der Verstoß gegen Art. 4 Buchstabe b) Vertikal-GVO 2790/1999 ergibt sich aus § 3 Ziffer 4 des Franchisevertrages. Danach ist der Franchisenehmer - bei Meidung einer Vertragsstrafe - verpflichtet, bei einem über 0800er-Servicenummer eingegangenen Auftrag (oder Anfrage), der zu einem Vertragsgebiet eines anderen Franchisenehmers oder des Franchisegebers gehört, den Auftrag oder die Anfrage an diesen weiterzugeben. Allein schon die Androhung der Vertragsstrafe machen deutlich, dass es sich hier nicht nur um eine unverbindliche Verpflichtung handelt, sondern, dass hier ein Verbot vereinbart ist.

Dabei unterscheidet die Regelung nicht zwischen aktivem und passiven Verkauf. das bedeutet, dass sich das Verbot - zumindest auch - auf den passiven Verkauf bezieht. Wenn also ein möglicher Kunde aus eigener Initiative über die 0800er-Nummer zu dem Beklagten gelangt, ist es den Beklagten strafbewährt verboten, den Auftrag des Kunden anzunehmen (passiver Verkauf). Die Kammer sieht keinen Grund, hier einen passiven Verkauf zu verneinen; danach dürfte de Regelung nach Art. 4 Buchstaben b) GVO-Nr. 2790/1999 verboten sein.

Der Einwand der Klägerin, die wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung des Franchisevertrags sei mangels Spürbarkeit nicht als Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG-Vertrag (§ 1 GWB) zu werten, greift nicht. (...)

Darauf kommt es im Streitfall jedoch nicht an, denn die Kommission hat ausdrücklich in Ziffer 11 (der de minimis -Bekanntmachung) festgelegt, dass die Ziffer 7 nicht für Vereinbarungen gilt, die eine der nachstehenden schwerwiegenden Beschränkungen (Kernbschränkungen) enthalten, so Vereinbarungen nach Ziffer 7, die folgendes bezwecken: Beschränkungen des Gebiets oder des Kundenkreises, in das oder an an den der Käufer die Vertragswaren oder -dienstleistungen verkaufen darf, mit Ausnahme der nachstehenden Beschränkungen, die keine Kernbeschränkungen sind: Beschränkungen des aktiven Verkaufs in Gebieten oder an Gruppen von Kunden, die der Lieferant sich selbst vorbehalten oder ausschließlich einem anderen Käufer zu diesen hat, soweit dadurch Verkäufe seitens des Kunden nicht begrenzt werden. Es geht mithiin als Kernbeschränkung - wie im Streitfall - genau um Vereinbarungen zu passiven Verkäufen im Sinne von Artikel 4 Buchstaben b) der GVO. Die Kernbeschränkungen in Art. 4 führen dazu, dass eine Freistellung nach der Vertikal-GVO ausscheidet, und zwar unabhängig von Marktanteilsschwellen und Spürbarkeitsgesichtspunkten.
Unwirksame wettbewerbsbeschränkende Klauseln, soweit Kernbeschränkungen, führen zur Gesamtunwirksamkeit des Vertrages (BGH NJW 2007, 3568/3568; Langen/Bunte, 10. Aufl. Band 1 § 2 Rdnr. 523).

Damit ist die Rechtsgrundlage der Zahlungsforderungen nichtig.

Anmerkung: Die Parteien haben sich in der Berufungsverhandlung verglichen.

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