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OLG Hamm, Urteil vom 28.07.1992, Az.: 19 U 193/92 („Rent the Trend“)

Zur Anwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes für zweite Existenzgründung bei fehlender Kreditaufnahme für erste gewerbliche Tätigkeit

Leitsatz

Leitsätze der Redaktion: 1. Verpflichtet sich ein Franchisenehmer im Rahmen einer zweiten Existenzgründung Waren ausschließlich bei vom Franchisegeber benannten Lieferanten zu beziehen, dann liegt ein Vertrag zum wiederkehrenden Bezug von Waren gemäß § 2 Nr. 3 VerbrKrG vor. 2. Das VerbrKrG ist auf Existenzgründer im Rahmen von Franchiseverträgen mit Bezugsbindung anzuwenden, 3. Dem Franchisenehmer steht ein Widerrufsrecht nach dem VerbrKrG zu, wenn die vorausgegangene Existenzgründung ohne Darlehen erfolgte.

Zum Sachverhalt

Die Franchisegeberin (=Antragstellerin) wollte der Franchisenehmerin (=Antragsgegnerin) per einstweiliger Verfügung anhalten, die Marke "Rent the Trend" weiter zu nutzen. Der Franchisenehmer hatte seine auf Abschluss des Franchisevertrages gerichtete Willenserklärung widerrufen. Die Antragstellerin berief sich auf vertragliche und nachvertragliche Ansprüche. Diese wurden zurückgewiesen.

Die Entscheidung

Die in § 9 des Franchisevertrages vereinbarte Verpflichtung der Antragsgegnerin zum ausschließlichen Bezug der Waren von der Antragstellerin oder den von ihr benannten Lieferanten stellt eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zum langfristigen wiederkehrenden Bezug von Sachen im Sinne des § 2 Nr. 3 VerbrKrG dar. Der Senat sieht keine Veranlassung, von der unter der Geltung des inhaltsgleichen § 1 c Nr. 3 AbzG entwickelten höchstrichterlichen Rechtsprechung abzurücken, die dieser Bestimmung auch Franchiseverträge zugeordnet hat, soweit diese Verpflichtungen der Franchisenehmer zum Bezug von Waren der Franchisegeber enthielten, wobei in diese Vorschrift auch der Fall, daß der Bezug nach dem wechselnden Bedarf der Verpflichteten zu erfolgen hatte, einbezogen worden ist. In seiner Begründung hat der BGH auf den Wortlauf des § 1 c Nr. 3 AbzG abgestellt und auf den Willen des Gesetzgebers verwiesen, mit § 1 c Nr. 3 AbzG „als Verträge auf wiederkehrende Leistungen“ zu erfassen; hiervon bei Franchiseverträgen eine Ausnahme zu machen, bestehe kein Anlaß, müsse doch auch dem Franchisenehmer das Recht zugestanden werden, sich von einer möglicherweise eingegangenen langfristigen Bezugbindung innerhalb der vom Gesetzgeber gewollten Überlegungsfrist lösen zu können (vgl. BGHZ 97, 351, BGH ZIP 1990, 1410; OLG Schleswig NJW-RR 1987, 220; OLG Schleswig NJW 1988, 3024; OLG Frankfurt DB 1991, 1769). In Anlehnung an diese Rechtsgrundsätze zieht die überwiegende Meinung in der Literatur Franchiseverträge in den Anwendungsbereich des – mit § 1 c Abs. 3 AbzG inhaltsgleichen - § 2 Nr. 3 VerbrKrG ein. Nach anderer Ansicht soll § 2 Nr. 3 für Franchiseverträge nur noch in Verbindung mit einem Existenzgründungsbericht in Betracht kommen bzw. überhaupt keine Anwendung finden, weil § 2 Nr. 3 VerbrKrG gegenüber dem bisherigen „ 1 c Nr. 3 AbzG stark eingeschränkt worden sei; ausgenommen seien generell Verträge, die sich nach ihrem Inhalt auf eine bereits ausgeübte gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit bezögen. Der Senat schließt sich der erstgenannten Ansicht mit dem Argument an, daß für die Hereinnahme des jetzigen § 2 in das Verbraucherkreditgesetz letztlich die Überlegung ausschlaggebend war, daß sich der Gesetzgeber nicht dem Vorwurf aussetzen wollte, hinter das bereits erreichte Verbraucherschutzniveau zurückzugehen. Dies hat zur Folge, daß die unter der Geltung des § 1 c Nr. 3 AbzG herausgearbeiteten Rechtsgrundsätze auch weiterhin Geltung beanspruchen und insoweit auf die Kommentierungen zu § 1 c Nr. 3 AbzG zurückgegriffen werden kann. Das weitere Argument der Antragstellerin, das Verbraucherkreditgesetz finde vorliegend auch deshalb keine Anwendung, weil die Betragsobergrenze von 100.000,- DM im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 VerbrKrG überschritten sein, verfängt nicht. Kredit- bzw. Finanzierungshilfe ist vorliegend allein die vorläufige Zurverfügungstellung der Betriebsmittel, wie sie sich aus der Anlage zum Franchisevertrag ... ergibt. Der Warenbezug bzw. der Umsatz hat mit dem Existenzgründungsdarlehen nichts gemein. Der Kredit ist auch nur für die Existenzgründungsphase selbst gedacht, nicht für spätere Zeiträume. Nach sechs Monaten ausgeübter Tätigkeit in diesem Gewerbe dürfte die Existenzgründungsphase abgeschlossen sein. Kredit für gewerbliche oder freiberufliche Zwecke sind grundsätzlich ausgenommen, so daß in diesem Falle zum Beispiel Handwerker, Kaufleute, Landwirte etc. zwar bei Krediten für private Zwecke, nicht aber bei solchen für die gewerbliche und berufliche selbständige Tätigkeit vom Gesetz geschützt werden. Ausgenommen hiervon sind Kredite, die zur Aufnahme der gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit (=Existenzgründung) gewährt werden (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 VerbrKrG). Der gewerbliche Verbraucher kann mit dem Darlehen in seinen Betrieb investieren, er kann aber auch die Investitionen durch direkten Erwerb der benötigten Gegenstände durchführen und ein Abzahlungsgeschäft über diese Gegenstände schließen, wie dies zum Beispiel für die Erstausstattung eines Betriebs im Rahmen von Franchiseverträgen häufig ist. In einem solchen Fall darf die Tätigkeit bei Abschluß noch nicht ausgeübt gewesen sein im Sinne des § 1 Abs. 1 VerbrKrG, der Verbraucher muß sie erst mit dem Kredit aufzunehmen gedenken. Das Verbraucherkreditgesetz findet erst dann keine Anwendung, wenn das Gewerbe oder die selbständige berufliche Tätigkeit bereits ausgeübt wird. Legte man hier ein weiters Begriffsverständnis zugrunde mit der Folge, daß von einer Gewerbe- oder Berufsausübung erst ausgegangen wird, wenn eine gewisse Ertragsschwelle überschritten ist, die den Bestand des Gewerbebetriebes bzw. eine dauerhafte Sicherung der beruflichen Position als gewährleistet erscheinen läßt, dürften sich kaum starre Orientierungsleitlinien vorgeben lassen. Richtigerweise legt man der nach der abzeichnenden h. M. eine andere Abgrenzung zugrunde und stellt auf die Ladeneröffnung, die Aufnahme der Produktion oder den Beginn des Angebot von Dienstleistungen ab. Die Beweislast dafür, daß der Verbraucher die gewerbliche oder berufliche selbständige Tätigkeit bereits ausgeübt bzw. daß der Verbraucher nicht ein Existenzgründer ist, trägt der Kreditverschaffer. Die Frage, ob die Inanspruchnahme eines Kredites für die Aufnahme einer zusätzlichen weiteren gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit noch § 1 Abs. 2 VerbrKrG unterfällt, ist umstritten. Sie wird überwiegend vereint, mit der Begründung, wegen der Aufnahme eines Kredites für eine wiederholte Existenzgründung oder die Inanspruchnahme eines Kredits für die Aufnahme einer weiteren gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit fehle es an der Schutzbedürfigkeit des Verrauchers. Nach der Gegenmeinung soll alleiniges und entscheid3ndes Abgrenzungskriterium die konkrete bereits ausgeübte Tätigkeit sein. Der Senat folgt im Ergebnis der letztgenannten Ansicht. Diese findet ihre Bestätigung zum einen in einer am Wortlaut des § 1 VerbrKrG orientierten Auslegung. Zum andre kommt folgende Überlegung hinzu: Die Gegenmeinung unterstellt bei einer bereits ausübten gewerblichen Tätigkeit oder einer anderen selbständigen beruflichen Tätigkeit eine ausreichende Geschäftserfahrung des Kreditnehmers. Soweit sie diese Geschäftserfahrung auf die Aufnahme von Kredit beschränkt, übersieht sie, daß dem bereits ausgeübte Gewerbe nicht unbedingt eine Kreditaufnahme vorausgegangen sein muß. Ist dies nicht der Fall gewesen, so kann dem in dieser Hinsicht erstmaligen Kreditnehmer nicht von vornherein die Schutzbedürftigkeit versagt werden; in diesem Fall entfiele, ohne daß es überhaupt auf den Beweis des Gegenteils ankäme, die in der hypothetischen Unerfahrenheit des Verbrauchers basierende Schutzbedürftigkeit des Kreditnehmers, welches gerade den Schutzzweck dieses Gesetzes ausmacht. Mit etwaigen nachvertraglichen Pflichtverletzungen kann die Antragstellerin ihren Verfügungsantrag nicht begründen. Da das Vertragsverhältnis unwirksam ist, kann die Antragsgegnerin aus dem widerrufenden Vertrag nicht verpflichtet werden, Waren mit dem Begriff „RENT THE TREND“ zu verkaufen. ... Es kann auch nicht festgestellt werden, daß die Antragsgegnerin eine Kennzeichnung – etwa „RENT THE TREND“ nachahmt, sich dieser oder insgesamt der Geschäftsidee der Antragstellerin werbend bedient hätte. Hinzu kommt, daß die Geschäftsidee als solche weder neu, einzigartig noch in Bezug auf die Vermietung von Kleidern schutzwürdig ist.

Fazit

Die Entscheidung wurde veröffentlicht in DB 1992, S. 2234. Die Regelungen des ehemaligen Verbraucherkreditgesetzes -soweit fürs Franchising interessant- finden sich heute in den §§ 505, 507 und 355 BGB.

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