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OLG Köln, Urteil vom 16.05.1994, Az.: 2 W 14/94

Zur vorvertraglichen Aufklärungspflichten des Franchisegebers/Erfordernis einer Standortanalyse

Leitsatz

Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hatte in einem Prozesskostenhilfeverfahren als Beschwerdeinstanz über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Franchisenehmer zu entscheiden. Der Franchisenehmer war wirtschaftlich gescheitert und begehrte Prozesskostenhilfe, um seine (ehemalige) Franchisegebergesellschaft zu verklagen. Das Landgericht Aachen hatte dem Franchisenehmer die Prozesskostenhilfe versagt. Gegen diese Entscheidung hatte der Franchisenehmer Beschwerde beim OLG Köln eingelegt. Das OLG Köln gab seiner Beschwerde statt und bewilligte dem Franchisenehmer Prozesskostenhilfe.

Zum Sachverhalt

Die Franchisegeberin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) (=Beschwerdgegnerin) betreibt ein Franchisesstem auf dem Gebiet Pizza-Lieferservice unter der Marke "A." Der Franchisenehmer (=Beschwerdeführer) hatte zunächst bei einem Franchisenehmer des Systems der Franchisegeberin als Aushilfskraft gearbeitet. Nach 18 Monaten kam er mit der Franchisegeberin überein, dass er einen eigenen Pizza-Lieferservice-Betrieb als Franchisenehmer im Rahmen des Franchisesystems der Beschwerdegegnerin in Köln eröffnen sollte. Es wurde zunächst ein Vorvertrag abgeschlossen, in dem sich der Beschwerdeführer verpflichtet, einen Franchisevertrag mit der Beschwerdegegnerin abzuschließen. In dem Vorvertrag wurde weiter geregelt, dass der Franchisevertrag der Franchisegeberin zunächst von einem Rechtsanwalt überarbeitet werden sollte und dass der wesentliche Inhalt des Franchisevertrages beiden Vertragsparteien bekannt sei. Ein schriftlicher Franchisevertrag wurde in der Folge nie abgeschlossen. Der Franchisenehmer mietete kurze Zeit später ohne vorherige Standortanalyse ein Objekt in Köln an und beauftragte Firmen mit dem Umbauarbeiten. Die Franchisegeberin nahm Einfluss auf die Ausstattung des Betriebs, indem sie den Pizzaofen auswählte. Der Franchisenehmer übernahm von der Franchisegeberin eine EDV-Kasse, die er von ihr mietete und zahlte Gebühren für die Kassenführung und Buchhaltung. Ein Franchisehandbuch war nicht vereinbart. Der Franchisenehmer hat seinen Betrieb mit 20.000 DM Eigenkapital und Fremdkapptal von der Stadtsparkasse Köln finanziert. Die Franchisegeberin beteiligte sich an dem Einzelunternehmen des Franchisenehmers in Form einer stillen Gesellschaft mit 25.000 DM. Der Franchisenehmer leistete zunächst 7.500 DM als Franchiseeintrittsgebühr an die Franchisegeberin und laufende Franchisegebühren in Höhe von 5 % seiner Umsätze. Der Franchisenehmer bezog die Zutaten für die Pizzas und Getränke bei der Franchisegeberin. Für die Getränke erhob die Franchisegeberin Preise, die über denen in Kölner Großmärkten lagen. Ferner trat die Franchisegeberin als Vermittlerin für Versicherungsverträge auf, die der Franchisenehmer abschloß. Die Franchisegeberin stellte ihm Werbemittel zur Verfügung. Kurze Zeit nach Aufnahme des Geschäftsbetriebs war der Franchisenehmer nicht mehr in der Lage, seine Warenrechnungen zu bezahlen. Er leaste 6 Monate nach der Betriebsaufnahme zwei Autos zur Auslieferung der Pizzas. Offenstehende Rechnungen der Franchisegeberin über DM 63.113 wurden durch Vertrag in ein Darlehen umgewandelt. In dem schriftlichen Vertrag hierüber wurde der Beschwerdeführer ausdrücklich als Franchisenehmer bezeichnet. Nach etwas mehr als einem Jahr seit der Betriebsaufnahme, beantragte der Franchisenehmer das Konkursverfahren. Die Eröffnung des Konkursverfahrens wurde mangels Masse abgelehnt. Der Franchisenehmer stützte seinen Prozesskostenhilfeantrag auf einen Klagentwurf, in dem er gegen die Franchisegeberin Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten (culpa in contrahendo) geltend machte. Daneben stützte er seine Ansprüche auf positive Vertragsverletzung. Diese Ansprüche stützte er auf einen konkludent zustandegekommenen Franchisevertrag. Der Franchisenehmer stützte sich insbesondere darauf, dass die Franchisegeberin ohne seine Mitwirkung einen Finanzierungsplan für die Stadtsparkasse Köln erstellt habe, den er notgedrungen unterschreiben musste. Er sei zudem gezwungen gewesen, die Ausstattung seines Betriebes und die Waren bei der Franchisegeberin beziehen müssen und sei auch hinsichtlich des Angebots der Speisen nicht frei gewesen. Die Franchisegeberin habe ihre Pflichten nicht erfüllt. Es hätte ihm ein Franchisehandbuch, dass das Franchisekonzept erhalte ausgehändigt werden müssen und es hätte eine Standortanalyse erstellt werden müssen. Eine Standortanalyse hätte erkennen lassen, dass der konkrete Standort ungeeignet gewesen sei. Auch eine gründliche Finanzierungsanalyse sei erforderlich gewesen aber nicht von der Franchisegeberin vorgenommen worden. Hinsichtlich des Pizzaofens habe ihn die Franchisegeberin falsch beraten. Der mit seinem Betrieb vergleichbare Betrieb desselben Franchisesystems in Aachen habe einen halb so teuren Ofen für DM 22.000. Er rügte desweiteren, dass der Geschäftsführer der Franchisegeberin bei der Eröffnung seines Betriebs verreist gewesen sei und sich die Eröffnung seines Betriebs verzögert habe, weil die Franchisegeberin Bauanträge falsch gestellt hatte. Der Geschäftsführer habe ihr in der Startphase die Unterstützung zugesagt gehabt. Auch sei er nicht in den Genuß der für Franchiseverträge typischen Vergünstigungen gekommen. Der Franchisenehmer machte zunächst einen Schadensersatzanspruch gegen die Franchisegeberin von DM 10.001 geltend. Seine Verbindlichkeiten betrugen DM 136.681, wobei er das Darlehen der Franchisegeberin schon in Abzug gebracht hatte.

Die Entscheidung

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg. ... Der Beschwerdeführer hat ferner schlüssig für einen gegen die Beklagte gerichteten Schadensersatzanspruch vorgetragen. ...Nach dem Vortrag des Beschwerdeführers kommt ein Schadensersatzanspruch in Höhe von DM 10.001 aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen (c.i.c) und positiver Vertragsverletzung (p.V.V.) eines konkludent abgeschlossenen Franchisevertrages in Betracht. ... Das schlüssige Verhalten der Parteien erfüllt die Merkmale des Franchising. Beim Franchising handelt es sich um ein vertikal-kooperativ organisiertes Absatzsystem rechtlich selbständiger Unternehmen auf der Basis eines vertraglichen Dauerschuldverhältnisses. Das System tritt am Markt einheitlich auf und wird geprägt durch das arbeitsteilige Leistungsprogramm der Systempartner sowie durch ein Weisungs- und Kontrollsystem zur Sicherung eines systemkonformen Verhaltens. Das Leistungsprogramm des Franchisegebers ist das Franchisepaket, ds aus einem Beschaffungs-, Absatz- und Organisationskonzept besteht, der Gewährung von Schutzrechten, der Ausbildung des Franchisenehmers und der Verpflichtung des Franchisegebers, den Franchisenehmer aktiv und laufend zu unterstützen sowie das Konzept ständig weiter zu entwickeln. Der Franchisenehmer wird im eigenen Namen und für eigene Rechnung tätig und hat das Recht und die Pflicht, das Franchisepaket gegen Entgeld zu nutzen. Seine Gegenleistung besteht in dem Arbeitseinsatz der Aufbringuzng von Kapital und der Mitteilung von Informationen (vgl. Martinek a. a. O: S. 15; Skaupy NJW 1962, 1785, 1786). Folgende Umstände sprechen danach im Streitfall für das Zustandekommen eines Franchisevertrages zwischen den Parteien: Die Beschwerdegegnerin vertreibt ihr Konzept im Wege des Franchising... Der von dem Bechwerdeführer geführte Betrieb war äußerlich als Teil der "A.-Kette" erkennbar, denn er benutzte Werbematerial und den Namen der Beschwerdegegnerin. ... Die Beschwerdegegnerin hat nach dem Vortrag des Beschwerdeführers ihre vertraglichen Pflichten aus dem Franchisevertrag verletzt... Zu den vertraglichen Pflichten eines Franchisegebers gehöret die Lieferung des Franchisepakets... Der Franchisegeber muß also dem Franchise- nehmer vermitteln, wie die vertriebenen Produkte oder Dienstleistungen am Markt anzubieten sind und wie die betriebliche Organisation auszusehen hat. Diesen Pflichten ist die Beschwerdegegnerin nur unzureichend nachgekommen. ... Die Annahme von Pflichtverletzuingen der Beschwerdegegnerin ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Beschwerdeführer seinerseits zur Geschäftseröffnung drängte und keine Standortanalyse und kein Betriebshandbuch verlangte. Darin kann ein Verzicht des Beschwerdeführers auf die vertraglich geschuldigten Leistungen nicht gesehen werden, zumal nicht ersichtlich ist, daß die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer über den geschuldeten und eine ordentliche Betriebsführung gestattenden Leistungsumfang ausreichend unterrichtet hatte. ... Aus dem Verhalten des Beschwerdeführers kann auch nicht ohne weiteres auf ein Mitverschulden geschlossen werden. Ein Mitverschulden des Franchisenehmers liegt darin, daß er auf die vermeintlich sachkundigen Angaben des Franchisegebers vertraut (vgl. OLG München NJW 1994, 667). Ebenso kann ein Mitverschulden zu verneinen sein, wenn der Franchisenehmer sich in seinem Verhalten dadurch bestätigt sieht, dass der Franchisegeber keine Einwendungen erhebt oder gar aktiv unterstützend tätig wird. Die Beschwerdegegnerin hat auch gegen ihre vorvertraglichen Pflichten verstoßen. Es ist anerkannt, daß dem Franchisegeber vorvertragliche Pflichten obliegen, deren Verletzung zu einer Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluß (c.i.c.) führt (vgl. BGHZ 99, 101, 106f.; OLG München BB 1988, 865; NJW 1994, 667; Martinek a.a.O. S. 87 f.). ... Die Parteien waren verpflichtet, alle für die Zusammenarbeit erhebliche Informationen zu offenbaren. Für den Franchisegeber bedeutet dies, daß er zu Informationen über die Erfolgsaussichten der Marketingkonzeption, zu wahrheitsgemäßen Zahlenangaben über vergleichbare Betriebe seines Systems und zu Angaben über den erforderlichen Kapitaleinsatz verpflichtet ist. Denn gerade der Franchisegeber wirbt bei der Kontaktaufnahme und den Vertragsverhandlungen um jenes besondere Vertrauen, das der Geschäftsbesorger aufgrund der besonderen Weisungsabhängigkeit den Geschäftsherrn entgegenbringen muß (vgl. Martinek a.a.O. S. 87 f.). Diese Pflichten obliegen dem Franchisegeber in besonderem Maße bei der Werbung unerfahrener Systempartner (Martinek a.a.O.). Der Franchisegeber ist verpflichtet, dem zukünftigen Franchisenhemer eine auf den bisherigen Erfahrungen der Systembetriebe oder der als Pionier- und Testbetriebe dienenden Franchisegeber-Filialen beruhende Kalkulationsgrundlage zu unterbreiten, die dem Franchisenehmer seine voraussichtlichen arbeitsmäßigen und finanziellen Belastungen vollständig aufzeigt. Der Franchisenehmer muß auch den Umfang weiterer über die Anfangsinvestition hinaus anfallender Aufwendungen abschätzen, den Zeitraum der Anfangsverluste in der Anlaufphase übersehen und die Chance der Gewinnrealisierung reel beurteilen zu können Martinek a.a.O., S. 88; Lenzen RIW 1984, S. 586 ff:; Gross-Skaupy, Franchising in der Praxis, S. 173). Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer dazu keine Angaben gemacht. Die erstellte Plan-Umsatz/Kosten-Kalkulation für verschiedene Umsätze in der Größenordnung von DM 35.000/Monat läßt offen, worauf sich diese Umsatzerwartungen gründeten. Sie erscheint vor dem Hintergrund, dass keine Standortanalyse erfolgte, rein hypothetisch. Aufgrund seiner auf der Hand liegenden wirtschaftlichen Unerfahrenheit war für den Beschwerdeführer das tatsächliche Risiko der Geschäftseröffnung nicht abzuschätzen, das u. a. in einer zu geringen Eigenkapitalausstattung bestand. Aufgrund dieser schuldhaften Pflichtverletzungen ist dem Beschwerdeführer ...kausal ein Schaden entstanden. ...

Fazit

Dieses Urteil ist ein Meilenstein des Franchisenehmerschutzes. Das OLG Köln hat sich in vorbildlicher Weise mit den dogmatischen Grundlagen des Franchising auseinandergesetzt. Von diesen rechtlichen Grundlagen aus, hat das OLG Köln die jedem Franchisevertrag innewohnenden Rechte und Pflichten sauber herausgearbeitet. Die Ausführungen zu den vorvertraglichen Pflichten des Franchisegebers sind beachtlich, da das OLG Köln davon ausgeht, dass die Aufklärungspflichten inhaltlich weitreichend sind und eine Standortanalyse erforderlich sei.

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