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OLG München, Urteil vom 11.07.1996, Az.: 24 U 63/95

Zur Innenhaftung eines Unternehmensberaters des Franchisegebers bei der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten

Leitsatz

Leitsätze der Redaktion: 1. Der Franchisegeber, der einen Unternehmensberater in die Vertragsanbahnung mit einem neuen Franchisenehmer einbindet und sich im Verhältnis zum Franchisenehmer des Unternehmensberaters als Erfüllungsgehilfen bedient, kann selbst verpflichtet sein und vom Franchisenehmer in Anspruch genommen werden, wenn dieser Ansprüche aus der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten geltend macht. Ihn trifft insoweit eine Haftung, als es um die wirtschaftliche Rentabilität eines Pilotprojekts geht, auf dem das Franchiseprojekt basiert. 2. In einem Schadensersatzprozess des Franchisegebers gegen seinen Unternehmensberater, in dem aufgrund der Interventionswirkung eines Vorprozesses zwischen Franchisegeber und Franchisenehmer feststeht, dass die Beratungsleistungen ungenügend waren, darf bei der Haftungsabwägung im Verhältnis eine Mitverantwortung des Franchisegebers bei der Vorbereitung und Durchführung des Franchiseprojekts berücksichtigt werden. 3. Der Unternehmensberater eines Franchisegebers kann in einem gegen ihn geführten Schadensersatzprozeß eine Mitverantwortung seines Auftraggebers bei der Durchführung eines Franchiseprojekts auch dann einwenden, wenn er sich in einem Vorprozess eines Franchisenehmers gegen den Franchisegeber, in dem das pflichtwidrige Verhalten des Unternehmensberaters dem Franchisegeber voll zugerechnet worden worden war, trotz Streitverkündung durch den Franchisegeber nicht beteiligt hat.

Zum Sachverhalt

Die Klägerin (=Franchisegeberin), die u. a. Tiefkühl-Teigwaren herstellt und vertreibt, hat unter der Marke "Schmankerl Service" ein Franchisesystem. Die Klägerin verlangt vom Beklagten, einem Unternehmensberater, nach Aufgabe eines von den Parteien vorbereiteten gastronomischen Franchise-Objekts in A. die Rückzahlung des geleisteten Beraterhonorars und Schadensersatz. Der Beklagte hatte das Franchisesystem entwickelt und einen Franchisevertrag mit einem Unternehmer vermittelt. Der Franchisenehmer hatte einen Laden mit Produkten der Klägerin eröffnet, stellte den Betrieb jedoch bereits nach kurzer Zeit wegen zu geringer Umsätze wieder ein. In einem von dem Franchisenehmer gegen die Klägerin geführten Rechtsstreit verurteilte das OLG München (Az. 6 U 5495/92) auf die Berufung des Franchisenehmers hin die Klägerin, 136.507,90 DM nebst Zinsen zu zahlen. Die jetzige Klägerinhatte dem Beklagten im Vorprozeß mit ihm zugestellten Schriftsätzen den Streit verkündet. Der Beklagte hatte nicht reagiert. Die Klägerin hat im vorliegenden Rechtsstreit vorgetragen, der Franchisenehmer habe das Geschäft, das wegen eines untauglichen Konzepts nur rund 3000 DM (statt wie angekündigt 30.000 DM) Umsatz im Monat erbracht habe, aufgeben müssen. Der Beklagte habe die vertraglich geschuldete Standortanalyse, in welcher der Standort als nur bedingt tauglich bezeichnet wurde, erst nach Geschäftseröffnung, erstellt. Die Kl. hat Schadensersatz in Höhe des Verurteilungsbetrages im Vorprozeß zuzüglich Zinsen, Ersatz der ihr in dem früheren Rechtsstreit entstandenen außergerichtlichen Kosten sowie die Rückzahlung der an den Beklagten geleisteten Vergütung verlangt. Der Beklagte hat vorgetragen, der Franchisevertrag mit dem Franchisenehmer der Klägerin sei von deren Rechtsanwälten ausgearbeitet worden. Er habe für das von ihm als nur bedingt geeignet bezeichnete, ohne ausreichende Werbung betriebene und noch in der Anlaufphase vorzeitig aufgegebene Geschäft keine Umsatzprognose abgegeben. Der Beklagte hat die schlechte Prozeßführung der Klägerin im Vorprozeß gerügt, sich auf eine vertragliche Haftungsbeschränkung berufen und Verjährung eingewendet. Das LG hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 226.348,68 DM nebst Zinsen zu bezahlen; im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Berufung war zum Teil erfolgreich.

Die Entscheidung

In den Urteilsgründen heißt es auszugsweise: ... Die Kl. kann nur einen Teil des ihr entstandenen Schadens ersetzt verlangen. ...Der Senat ist im vorliegenden Rechtsstreit (zu Lasten des Beklagten) an die im Vorprozeß getroffenen Feststellungen zur Haftung der Klägerin als Franchisegeberin gegenüber ihrem Franchisenehmer gebunden. Der Beklagte hätte somit nach Erhebung der damaligen Klage am 17.08.1989 und nach der Klageerweiterung am 03.10.1989 im Rahmen einer Streithilfe auf diesen Rechtsstreit in vollem Umfang Einfluß nehmen können; das hat er unterlassen. Die Streitverkündung hat zur Folge, daß die im Vorprozeß getroffenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen - auch für präjudizielle Rechtsverhältnisse - insoweit maßgebend sind, als sie im vorliegenden Rechtsstreit streitig sind, zugunsten der gegebenenfalls zu unterstützenden Partei wirken und das frühere Urteil auf ihnen beruht (§§ 68, 74 III ZPO). Der Beklagte ist unter diesen Umständen mit seiner Rechtsverteidigung insofern ausgeschlossen, als er nunmehr vorträgt, die vom LG München l und vom OLG München getroffenen Feststellungen seien bezüglich seines Vertragsverhaltens und seines Verschuldens unzutreffend. Insbesondere kann der Beklagte auch nicht mehr das im Vorprozeß erstattete Gutachten des Sachverständigen H und die von den erkennenden Gerichten hieraus gezogenen Schlußfolgerungen angreifen, soweit letztere entscheidungserheblich gewesen sind. ... Wie ausgeführt sind im Vorprozeß zwar Feststellungen zur Pflichtwidrigkeit und zum Verschulden des Beklagten zur Kausalität, zum Schaden sowie zur Haftungsabwägung im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Franchisenehmer, nicht aber zur Haftungsverteilung im Rahmen der Rechtsbeziehung zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits getroffen worden. Diese Haftungsverteilung wird somit nur teilweise von der Interventionswirkung des Vorprozesses beeinflußt. ... Die Rechtsbeziehung der jetzigen Klägerin zum Beklagten war nur insoweit Gegenstand des Vorprozesses, als es darum ging, daß sich die Klägerin als Franchisegeberin das Verschulden ihres Erfüllungsgehilfen, des nunmehrigen Beklagten, gem. § 278 BGB zurechnen lassen müsse. Die Frage, ob und in welchem Umfang die Klägerin von ihrem Erfüllungsgehilfen Schadensersatz verlangen könne, blieb davon unberührt und muß im vorliegenden Rechtsstreit erstmals entschieden werden. Wegen der fehlenden Bindungswirkung (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 19. Aufl. § 68 Rdnr. 9) hat somit der Senat im vorliegenden Rechtsstreit darüber zu befinden, ob die Klägerin bei der Entstehung ihres Schadens (mit Ausnahme der Rückzahlung der Franchise-Gebühr) eine Mitverantwortung trifft, die im Rahmen ihres Schadensersatzanspruchs gegen den Bekl. nach § 254 BGB zu berücksichtigen ist. ...Da die Klägerin so gestellt werden soll, als wäre es nicht zu einer Vertragsbeziehung mit dem Franchisenehmer gekommen, kann dahingestellt bleiben, ob der Geschäftsmann bei voller Aufklärung über die vor allem in der Startphase zu erwartenden Umsätze das unternehmerische Franchise-Risiko übernommen hätte, ob es auch dann zum Abschluß des Franchisevertrags gekommen wäre und ob die Klägerin die Franchisegebühr hätte einziehen können. ... Die Klägerin kann nur drei Viertel ihres Schadens ersetzt verlangen. Nach § 254 BGB kann, wenn ein Schaden eingetreten ist, auch ein Verschulden des Geschädigten bei der Schadensentstehung von Einfluß auf die Höhe des zu ersetzenden Schadens sein. Als "Verschulden" wird dabei angesehen ein "Verschulden gegen sich selbst", eine Außerachtlassung derjenigen Sorgfalt., die nach Lage der Sache erforderlich scheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren. Es handelt sich dabei um eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben nach § 242 BGB. Bei dem Schadensersatzanspruch der Klägerin ist, wie ausgeführt, bei der Haftungsverteilung aufgrund der Interventionswirkung des Vorprozesses von einem Verschulden des Bekl. auszugehen. ... Ausgangspunkt ist die Überlegung, daß der Bekl. der Klägerin dabei behilflich gewesen ist, die Gebrauchsüberlassung eines ganzen Geschäftssystems vorzubereiten. Franchising ist ein international anerkanntes und praktiziertes Vertriebskonzept. Der Franchise-Nehmer ist ein selbständiger Kaufmann, der aufgrund einer lizensierten Nutzungsberechtigung (Franchise) des Franchise-Gebers im eigenen Namen und unter eigenem Risiko im Verbund eines Betriebssystems für Waren und Dienste einen ihm gehörenden Betrieb führt (Skaupy, NJW 1992, 1785 (1790)). Der Beklagte hatte nach dem Franchise-Berater- Vertrag die Aufgabe, "die Entwicklung eines Franchise-Systems ... zur Geschäftsidee" "individuell für den Auftraggeber zu erarbeiten, wobei die bestehenden geeigneten Produktprogramme ... und die dazugehörige Fertigungstechnik und -betriebsmittel die Produktprogrammbasis im -Franchising ausmachen" sollten (vgl. Nr. 2 des Vertrags). Obwohl die Ausarbeitung des Franchise-Systems für die Geschäftsidee die Vorgabe an den Bekl. darstellte, mußte er die Klägerin auch darüber beraten, ob der Vertrieb ihrer Waren im Franchise-System überhaupt in Betracht kam. Die Pflichtwidrigkeit des Beklagte lag nach dem im Vorprozeß erholten Gutachten nicht darin, daß er für die Geschäftsidee das Franchise-System vorgeschlagen hatte. Auch die eingehende Unterrichtung der Kl. durch umfangreiche Handbücher und Vorlage einer ausführlichen Marktanalyse über die Gastronomie und den Fast-Food-Markt im allgemeinen sowie über die aufgrund von Kundenbefragungen ermittelten konkreten Marktchancen für den "Service" im besonderen waren nicht zu beanstanden. Der entscheidende Vorwurf, der dem Beklagte als Unternehmensberater zu machen ist, betrifft vielmehr die Vorbereitung einer praktischen Umsetzung der Geschäftsidee auf dem Markt. Es fehlten, wie der Sachverständige ... zusammenfassend ausgeführt hat, ein "eindeutiges, schlüssiges und nachvollziehbares Marketingkonzept" sowie das durch eine ausreichende Erprobung des Geschäftskonzepts gewonnene Erfahrungswissen, auf das jeder Franchisenehmer Anspruch hat. Ohne die eigene Erprobung durch den Franchisegeber könne sich im Bereich des Franchising die Frage nach der Marktgängigkeit der Geschäftsidee und möglicherweise erreichbaren Umsatzzahlen nicht sinnvoll stellen". Der Beklagte hatte zwar dem Markt für die Produkte der Klägerin im allgemeinen und speziell der in Aussicht genommenen Vertriebsform (außer Ladenverkauf insbesondere auch fernmündliche Bestellung und Belieferung von Betrieben) hinreichend Aufmerksamkeit geschenkt. Er hat aber seine ohne ausreichendes Erfahrungswissen getroffene Prognose zur wirtschaftlichen. Entwicklung, nicht unter den Vorbehalt einer praktischen Erprobung gestellt und auf diese Weise pflichtwidrig unberechtigte Erwartungen geweckt, die letztlich zu den ... Bei der Beurteilung des Verschuldensgrades ist aber zu berücksichtigen, daß der Beklagte zumindest die Angaben zum Umsatz in der Anfangsphase "ins Blaue hinein" gemacht hat. Es lag für ihn als Unternehmensberater auf der Hand, daß eine solche Prognose ohne praktische Erprobung der von ihm vorgeschlagenen Marketingstrategie und der Marktakzeptanz der von der Klägerin vertriebenen Produkte ...keine ausreichende Grundlage hatte. ... Der Beklagte war sich bewußt, daß gerade dieser Punkt für die Kläger beim Ausbau des Vertriebssystems und für die Franchise-Nehmer bei der Kalkulation. von größter Bedeutung sein werde und daß wegen der zu erwartenden hohen Investitionen bei Nichtrentabilität erheblicher Schaden entstehen könne. Er hat sich dennoch über diese naheliegenden Bedenken hinweggesetzt. In der von ihm erstellten Marktanalyse hatte der Beklagte zwar eine Zielkundenbefragung und die örtliche Wettbewerbssituation ausgewertet und beurteilt. Vor allem die sehr zurückhaltende Bewertung der Angebotspalette der Klägerin mit Süßspeisen und vegetarischen Gerichten sowie der mit Bezug auf diese Produkte wenig aussagekräftigen Firmenbezeichnungen hätten dem Beklagten Anlaß zu einer vorsichtigeren Prognose für die Startphase... geben müssen. Dies gilt allerdings in eingeschränktem Maße auch für die Klägerin selbst, der die Marktanalyse zur Verfügung gestellt worden war und die entsprechende unternehmerische Schlüsse hieraus hätte ziehen sowie den Franchisenehmer entsprechend unterrichten können. Denn die entscheidende Frage, der die Parteien vor der Geschäftseröffnung offensichtlich zu wenig Beachtung geschenkt haben, war, ob sich die Waren der Klägerin, so wie geplant, verkaufen ließen, vor allem, ob es speziell in der Stadt A. ein Käuferpotential gab, das bereit war, im Laden oder auf Bestellung die "Schmankerl" der Klägerin zu erwerben. ... Auch wenn sie den Beklagte in die Vertragsanbahnung und die Projektdurchführung eingeschaltet und sich im Verhältnis zum Franchisenehmer des Beklagte als Erfüllungsgehilfen bediene hatte, traf die Klägerin doch ein weiterer eigener Pflichtenkreis. Sie war mitverantwortlich dafür, daß dem Franchisenehmer für die Startphase unrealistische Umsatzzahlen genannt wurden, um ihn als Vertragspartner zu gewinnen.

Fazit

Die Entscheidung ist veröffentlicht worden in:EWiR 1996, 1103; NJW-RR 1997, 812; OLGReport-München 1996, 270

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