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OLG München, Urteil vom 16.09.1993, Az.: 6 U 5495/92

Zur Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten/ Mitverschulden des Franchisenehmers/Umfang des Schadensersatzanspruches

Leitsatz

Leitsätze der Redaktion: 1. Der Franchisegeber muß den Franchisenehmer richtig und vollständig über die Rentabilität des Systems unterrichten. 2. Der Franchisegeber, der wegen Verletzung der vorvertraglichen Aufklärungspflicht schadenersatzpflichtig ist, kann es dem Franchisenehmer nicht als Mitverschulden entgegenhalten, daß er leichtfertig den Anpreisungen des Franchisegebers vertraut hat.

Zum Sachverhalt

Das OLG München hatte als Berufungsgericht über einen Rechtsstreit zu entscheiden, in dem der Franchisenehmer (=Kläger) auf Rückzahlung einer Franchisegebühr und auf Schadensersatz wegen Verschuldens bei Vertragsschluß klagte. Gegenstand des D-Servic-Franchisesystem sind die Produktion und der Verkauf von bayerischen Spezialitäten, insbesondere Mehlspeisen, die auch im Heimservice angeboten wurden.Der Kläger war aufgrund von Kleinanzeigen, die der Franchise-Berater der Beklagten (=Franchisegeberin) geschaltetet hatte auf das Franchisesystem der Beklagten aufmerksam geworden. In diesen Anzeigen wurden Interessenten zur Kontaktaufnahme eingeladen, ,,Wenn Sie mit wenig finanziellem Aufwand viel Geld sicher verdienen wollen". Über den Franchise-Berater kam auch der erste Kontakt des Klägers mit der Beklagten zustande. Von dem Franchise-Berater erhielt er die Kurzinformation für Franchisenehmerinteressenten ausgehändigt, auf deren S. 8 es heißt: ,,Diese Konzeption bzw. Studien und Handbücher sind bis ins Detail durchdacht und absolut marktgerecht und zukunftweisend und schließen dadurch Risikofaktoren aus."; auf S. 22 wurde der monatliche Gewinn des Franchisenehmers vor Steuern ,,vorsichtig" auf 8.000 DM bis 15.800 DM geschätzt. Am 3.11.1988 schloß der Kläger mit der Beklagten einen Franchisevertrag; er bezahlte die Franchisegebühr von 22.800DM; über sein Widerrufsrecht wurde er nicht belehrt. In der Folgezeit erhielt der Kläger die Studien und Handbücher ausgehändigt; auf S. 72 des Handbuchs wird die Zahl der Franchisebetriebe in der Bundesrepublik Deutschland für 1988 mit zwei angegeben, ferner ein Monatsnettoumsatz "in der Startphase" von ca. 302.000 DM bis 435.000 DM. In der Folgezeit mietete der Kläger ab dem 1.2.1989 in der B-Straße 47 einen Ladenraum an, für den der Franchise-Berater eine Standortanalyse erstellt hatte, aus der sich ergab, daß dieser Laden für den D-Service bedingt geeignet sei, jedoch mit massiver und kontinuierlicher Werbung könnten nach einem Vierteljahr die prognostizierten Umsatzzahlen erreicht werden. Am 14.4.1989 eröffnete der Kläger das Geschäft. Am 16.6.1989 schloß der Kläger sein Geschäft bereits wieder, wegen massiver wirtschaftlicher Probleme. Während des Betriebs hatte er von der Beklagten insgesamt Waren zum Preis von 6.014,66 DM bezogen, allerdings hiervon lediglich 1.434,41 DM bezahlt. Mit Schreiben seiner Prozeßbevollmächtigten vom 14.7.1989 ließ der Kläger schließlich die Bezugsverpflichtung in Nr. 4 des Franchisevertrages vom ... widerrufen und verlangte "wegen Nichtigkeit des gesamten Franchisevertrages" die Rückzahlung der Franchisegebühr binnen drei Tagen. Mit der Klage verlangt der Kläger einerseits die Rückzahlung der Franchisegebühr und andererseits aus Verschulden bei den Vertragsverhandlungen den Ersatz sämtlicher ihm im Zusammenhang mit der Anmietung und Eröffnung sowie dem Betrieb des Franchisebetriebes entstandenen Aufwendungen abzüglich der erzielten Einnahmen. Das LG hat der Klage in Höhe von 84.541,60 DM stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Gegen das Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das OLG hat der Klage in Höhe von 136.507,90 DM stattgegeben.

Die Entscheidung

1. 1. Die Aberkennung des geltend gemachten Verdienstausfallschadens greift der s nicht an. 2. Die Anrechnung eines Mitverschuldens des Klägers bei der Schadenentstehung entfällt vollständig, so daß der Kläger seinen Schaden grundsätzlich in voller Höhe verlangen kann. Zwar ist, wenn ein Schaden eingetreten ist, gem. § 254 BGB grundsätzlich ein Verschulden des Geschädigten von Einfluß auf die Höhe des zu ersetzenden Schadens. Als ,"Verschulden" wird dabei angesehen ein ,"Verschulden gegen sich selbst", eine Außerachtlassung derjenigen Sorgfalt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren. Es handelt sich um eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben, um ein Verbot des "venire contra factum proprium", des Verbots eines Verhaltens, das im Widerspruch zum eigenen Verhalten steht (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 51. Aufl., § 254 Rdnr. 2). Zwar entfällt eine Mitverschuldensanrechnung beim Kläger nicht schon deshalb, weil auf seiner Seite eventuell Fahrlässigkeit und auf der Seite der Beklagte eventuell Vorsatz vorliegt. Die Beklagte handelte nämlich nicht selbst, sondern durch ihren Erfüllungsgehilfen W, so daß sie demgegenüber eine Fahrlässigkeit des Kläger geltend machen könnte (vgl. Palandt/Heinrichs, § 254 Rdnr. 53). Aufgrund der besonderen Umstände braucht sich jedoch der Kläger als Geschädigter nicht anrechnen zu lassen, daß er selbst bei seiner Handlungsweise nicht so kritisch und zurückhaltend zu Werke ging, wie ein vorsichtiger Geschäftsgründer dies im eigenen Interesse tun sollte. Entscheidend ist dabei, daß der Kläger nicht nur durch die ,,vollmundigen" Inserate der Beklagte bestimmt wurde, sondern sogar in der zur Anbahnung des Geschäfts übergebenen ,,Kurzinformation" falsche Angaben über grundlegende wirtschaftliche Positionen enthalten waren, die in dem später ausgehändigten Handbuch D 1 noch vertieft wurden. Gegenüber diesen bewußt falschen Angaben auf der Beklagtenseite ist dem Kläger kein Mitverschulden darin zuzurechnen, daß er diesen Angaben Glauben schenkte, auch wenn vorsichtige angehende Gewerbetreibende noch weitere Informationen einzuziehen versucht hätten. Derartigen Zusagen darf man im Verkehr trauen und muß sie nicht in Zweifel ziehen und nachrecherchieren, um sich dem Vorwurf des Mitverschuldens zu entziehen. Dies gilt auch, wenn dem Kläger eine gewisse Geschäftsgewandtheit zugesprochen wird. Keinesfalls verstößt insoweit das Begehren vollen Schadensersatzes gegen Treu und Glauben. Vielmehr verstößt die Beklagte gegen Treu und Glauben und den Grundsatz des ,,venire contra factum proprium", wenn sie dem Beklagte entgegenhält, er hätte vorsichtiger sein sollen. Sie hat das Vertrauen des Kläger durch ihre Aussagen begründet und muß sich ihrerseits daran festhalten lassen. Wer als Vertragspartei eine Zusage macht, kann hinterher nicht geltend machen, der Vertragspartner habe sie nicht so ernst nehmen dürfen. 3. Die Schadenpositionen Leasingkosten für zwei Pkw (5.700 DM; 3.383,52 DM; 6.840 DM; 1.667,82 DM; insgesamt 17.591,34 DM) sind vom LG zu Unrecht nicht anerkannt worden. Es steht fest, daß der Kläger und seine Frau die Pkw zum Ausfahren der Waren benutzten und daß sie anläßlich der Geschäftsgründung angeschafft wurden. Nachdem im Geschäftskonzept auch von einem Heimservice die Rede war, also das Ausliefern der heißen Waren auf telefonische Bestellung, ist die Anschaffung zweier Pkw ohne weiteres verständlich. Daran ändert es nichts, daß sie eventuell gelegentlich auch für Privatfahrten benutzt wurden. 4. Dagegen sind die Kosten für das geleaste Autotelefon zu Recht vom LG nicht anerkannt worden. Die Notwendigkeit eines solchen ergibt sich weder aus der Aufstellung der Investitionsausgaben im Unternehmenskonzept noch ist es sonst daraus zu entnehmen. Sie ist auch sonst nicht einsichtig, weil Kundenbestellungen angesichts der erhöhten Gesprächskosten Für einen Autotelefonruf diesen nicht benutzt hätten und der Kläger auf die Eigenschaft eines Autotelefons sogar in der Werbung hätte hinweisen müssen. Der normale Telefonanschluß samt Anrufbeantworter war völlig ausreichend. Insoweit handelte der Kläger bei der Anschaffung auf eigenes Risiko und kann dieses nicht der Beklagte überbürden. 5. Das LG hat ferner zu Recht dem Kläger einen Restwert von 50% des Anschaffungspreises von 47.011,31 DM der nicht mehr verwendeten Geräte zugerechnet. Die Geräte waren nur einige Monate in Betrieb und wurden dabei nur wenig beansprucht. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, wie in der Berufungsverhandlung geschehen, die Geräte als wertlos immer noch zu besitzen. Er hätte versuchen müssen, sie alsbald als Gebrauchtgeräte zu veräußern, zumal die Beklagte hierzu ihre Hilfe angeboten hatte, oder er hätte substantiiert darlegen müssen, daß sie trotz Bemühung nicht mehr verkäuflich waren. Da dies nicht geschehen ist, kann der volle Anschaffungspreis nicht der Beklagte als Schaden angelastet werden. 6. Das LG hat ferner zu Recht dem Kläger eine Einnahme aus Umsätzen von 12.028 DM angerechnet. Der Schaden des Kläger kann sich naturgemäß nur aus den entstandenen Kosten abzüglich der gehabten Einnahmen ergeben. Es wäre seine Sache gewesen, angesichts des Bestreitens der Beklagte substantiiert darzulegen und zu beweisen, daß seine Einnahmen nur den von ihm behaupteten Betrag ausmachten und nicht höher gewesen sind.

Fazit

Bei dem Urteil handelt es sich um eine der Leitentscheidungen zur Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten. Die Entscheidung wurde veröffentlicht in NJW 1994, S. 667 f.

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