OLG Schleswig, Urteil vom 22.01.2008, Az.: 1 W 27/07
Zur vorvertraglichen Aufklärungspflicht und deren Grenzen
Zum Sachverhalt
Das OLG Schleswig hatte als Beschwerdeinstanz über das Prozesskostenhilfegesuch eines Franchisenehmers zu entscheiden. Der Franchisenehmer wollte gegen seinen ehemaligen Franchisegeber klagen. Er wollte Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten geltend machen. Das Landgericht Kiel hatte das Prozeskostenhilfegesuch zurückgewiesen.
Der Franchisegeber betreibt ein Franchisesystem, das den Betrieb von Getränkefachmärkten zum Gegenstand hat. Der Franchisegeber hatte den Getränkemarkt in einer Kleinstadt zunächst als Filiale betrieben, den der Kläger dann als Franchisenehmer übernahm. Der Kläger war als Franchisenehmer wirtschaftlich gescheitert und machte insbesondere geltend unzureichend im vorvertraglichen Stadium aufgeklärt worden zu sein. Das OLG Schleswig wies seine Beschwerde gegen den ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss zurück.
Die Entscheidung
In der Begründung heißt es auszugsweise:
Der Franchisegeber hat als Vertragspartei nicht die Aufgaben eines Existenzgründungsberaters; ihm obliegt es insbesondere nicht, den Franchisenehmer über die allgemeinen Risiken einer beruflichen Selbständigkeit aufzuklären oder für ihn umfassende Kalkulationen zu erstellen, die ein mit betriebswirtschaftlichen Grundkenntnissen vertrauter Franchisenehmer selbst erstellen kann.
Den Franchisegeber treffen bei Vertragsverhandlungen vor allem zwei Arten von Pflichten. Es ist dem Franchisegeber zum einen verboten, den potentiellen Franchisenehmer über vertragswesentliche Umstände zu täuschen oder in die Irre zu führen. Zum anderen ist der Franchisegeber verpflichtet, den potentiellen Franchisenehmer über solche Umstände aufzuklären, die alleine ihm bekannt sind und von denen er weiß oder wissen muss, dass die Entscheidung der anderen Partei durch deren Kenntnis beeinflusst wird. Diese Aufklärungspflicht betrifft insbesondere diejenigen für den geschäftlichen Erfolg des Franchisenehmers relevanten Umstände, mit denen der Franchisegeber aufgrund seiner Kenntnis des Systems und dessen Wirkungsweise am Markt besser vertraut ist. Die Reichweite hängt von den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung von Treu und Glauben ab. Allgemeinverbindliche Vorgaben dafür, was der Franchisegeber den Franchisenehmer im Vorfeld des Vertragsschlusse konkret mitzuteilen und vorzulegen hat, lassen sich deshalb nicht aufstellen.
Das OLG Schleswig sah jedoch in dem Vorwurf des Franchisenehmers, die ihm vorgelegten Zahlen seien geschönt gewesen, keinen substantiirten Sachvortrag, der eine Täuschung über vertragswesentliche Umstände darlege. Insbesondere, da die vom Franchisegeber prognostizierten Umsatzzahlen und der Rohertrag vom Kläger in etwa erreicht wurden, befand das OLG, dass die vorvertragliche Aufklärung nicht fehlerhaft gewesen sei, denn Umsatz und Rohertrag seien die wesentlichen betriebswirtschaftlichen Kennziffern, die für den betriebswirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmers ausschlaggebend seien. Dass es zwischen der Prognose des Franchisegebers und den von dem Franchisenehmer tatsächlich erreichten Zahlen gravierende Abweichungen bei den Raumkosten aber auch bei dem Werbeaufwand und Provisionen/ Fremdarbeiten zu Lasten des Franchisenehmers gab, sah dass Oberlandesgericht nicht als Anhaltspunkt für manipulierte Zahlen an. Die gerichtliche Überprüfung aller Zahlen, die der Franchisegeber prognostiziert hatte, durch das Gericht wäre nach Ansicht des OLGs ein unzulässiger Ausforschungsbeweis. Allein die Behauptung geschönter Zahlen in der Prognose reiche daher nicht aus. Die einzelnen konkret falschen Werte in der Prognose hätten vom Kläger vorgtetragen werden müssen. Daher führe dies nicht zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast. Insbesondere seien auch die von den Prognosen tatsächlich abweichenden Betriebsergebnisse des Franchisenehmer kein Indiz dafür, das die Prognosen falsch gewesen seien.
Auch vertrat das OLG die Auffassung, der Franchisegeber müsse im vorvertraglichen Stadium nicht unaufgefordert überdie eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse und Fluktuationen im Franchisesystem offenzulegen. Auch sei keine Standortanalyse vom Franchisegeber geschuldet gewesen, die Vorlage der angeblichen Ist-Zahlen des zuvor als Eigenbetrieb geführten Getränkemarktes durch den Franchisegeber sei ausreichend gewesen. Insbesondere könne der Franchisenehmer die lokale Konkurrenzsituation ohne großen Aufwand selbst ermitteln.
Fazit
Die Einschätzung des Gerichts teilen wir nicht vollends. Insbesondere die zu niedrig prognostizierten Raumkosten musste der Franchisegeber kennen, da er zugleich Vermieter der Räume war.
Die Gerichte neigten in den letzten Jahren dazu, die Anforderungen an die Darlegung der fehlerhaften vorvertraglichen Zahlen zu Lasten der Franchisenehmer zu hoch zu setzen. Es wurde vom OLG Schleswig verkannt, dass der gescheiterte Franchisenehmer nur Indizien vortragen kann. Die Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast zu Lasten des Franchisegebers ist häufig gerechtfertigt. Der redlich und sorgfältig arbeitende Franchisegeber kann die Herkunft seiner Prognosezahlen problemlos darlegen und notfalls beweisen. Er weiß, welche Zahlen er aus welcher Quelle verwendete. Es darf nicht verkannt werden, dass zu hohe tatsächliche Raumkosten oder ähnliche Kennziffern, darüber entscheiden können, ob der Franchisenehmer Verluste produziert oder die Gewinnzone erreicht.
In der juristischen Fachliteratur zu Franchiseverträgen wird teils zu Recht gefordert, dass der Franchisegeber den Franchiseinteressenten im vorvertraglichen Stadium über die Scheiterungsquote der Franchisenehmer genau aufklären müsse. Insoweit ist der gegenteiligen Ausführung des OLG Schleswig nicht zu folgen. Auch das OLG Hamburg hat ausgeführt, dass eine hoche Quote an gescheiterten Franchisenehmern ein Indiz dafür sei, dass das Franchisesystem nicht ausgereift sei und kein tragfähiges Konzept beinhalte. Das Indiz vieler gescheiterter Franchisenehmer war für das OLG Hamburg Grund genug, die Dalegungs- und Beweislast zu lasten des Franchisegebers umzukehren.
Entscheidend ist jedoch zu kritisieren, dass das OLG Schleswig dem Franchisegeber offenbar nicht verpflichtet sah, im vorvertraglichen Stadium alle Ist-Zahlen seines Eigenbetriebes offenzulegen und auf eine Franchisenehmerbetrieb umzurechnen. Ein Franchisenehmerbetrieb hat häufig eine andere Kostenstruktur als ein eigener Filialbetrieb des Franchisegebers. Jedenfalls wäre es nicht zu viel verlangt, dem Franchisegeber die Pflicht aufzuerlegen, ihm bekannte Umstände über die Konkurrenzsituation ungefragt zu offenbaren.
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